1. April 1969: Rauschgiftring in Nürnberg geplatzt

F. H.

1.4.2019, 07:00 Uhr
1. April 1969: Rauschgiftring in Nürnberg geplatzt

© Kammler

Die Beamten sprengten eine Party, die gerade in einem Appartement in der Essenweinstraße 7 im Gange war und beschlagnahmten einen Zentner Haschisch im Wert von einer halben Million Mark. Der Polizeieinsatz kam für die Gäste derart überraschend, daß niemand flüchten konnte. Insgesamt wurden zwölf Personen festgenommen – ausschließlich amerikanische Soldaten zwischen 18 und 26 Jahren, die in Nürnberg stationiert sind.

Nach den bisherigen Ermittlungen ist damit zu rechnen, daß mit der Verhaftung der Amerikaner noch nicht alle Mitglieder des Rauschgiftringes gefaßt sind. Fotos und Adressen, die bei den Soldaten gefunden wurden, lassen auf einen größeren Kreis schließen. Vor allem vermuten die Beamten, daß noch zahlreiche Deutsche in den Fall verwickelt sind.

Das Rauschgift stammt aus Afghanistan, wo der 22jährige Douglas C. vor wenigen Wochen seinen Urlaub verbracht hatte. Der Amerikaner hat den „Stoff“ vermutlich mit einigen Mittelsmännern in Tragewesten und in Gepäckstücken nach Nürnberg gebracht.

Douglas C. und sein 23jähriger Freund Carmen B., der seit August vergangenen Jahres die Wohnung in der Essenweinstraße gemietet hat, sind die Schlüsselfiguren in dem aufsehenerregenden Fall, der bis zur Stunde noch nicht restlos geklärt ist.

Die Täter konnten gestern nacht nicht mehr vernommen werden, weil kein Dolmetscher zur Verfügung stand. Durch einen „heißen“ Tip war die Kripo dem geheimnisvollen Rauschgiftring auf die Spur gekommen.

1. April 1969: Rauschgiftring in Nürnberg geplatzt

© Kammler

Telefonisch war den Beamten am Nachmittag mitgeteilt worden, daß die Haschisch-Party im vierten Stock des Appartementhauses stattfinden sollte – durchaus kein böswilliger April-Scherz, wie sich gleich herausstellte: mit entsicherten Pistolen drangen gegen 17 Uhr acht Kriminaler in das Gebäude ein. Als sie an der Wohnung der beiden Amerikaner läuteten, öffnete Carmen B. ahnungslos die Tür. Ehe er begriff, was vor sich ging, schnappten die Handschellen zu.

Im nächsten Augenblick sprangen die Beamten in die Wohnung, in der drei Amerikaner an einem Tisch saßen und hingebungsvoll Haschisch-Pfeifen rauchten. Die Soldaten kamen nicht dazu, Widerstand zu leisten. „Das war eine Blitzaktion. Die Soldaten erwarteten weitere Bekannte. Deshalb haben sie uns ohne Schwierigkeiten in ihr Zimmer gelassen“, meinte später Oberkriminalrat Heinrich Helldörfer.

Als sich die Beamten in der Zwei-Zimmer-Wohnung umsahen, kamen sie aus dem Staunen nicht heraus: auf dem Tisch lagen zahlreiche Platten, schon in kleine Stücke zerteilt. In einem Kleiderschrank steckte der größte Teil der Beute – eine Reisetasche voll mit Haschisch. Und in der Toilette fand die Kripo noch einen Soldaten, der sich auf dem stillen Örtchen verstecken wollte. Somit konnten in dem Appartement fünf Amerikaner festgenommen werden.

Nach den bisherigen Feststellungen der Kriminalpolizei ist das Haschisch erst vor kurzem nach Nürnberg gebracht worden. „Der Stoff ist noch sehr frisch und nicht ausgetrocknet“, erläuterte ein Sachbearbeiter. Aus Eintragungen in dem Paß des 22jährigen Douglas C. geht hervor, daß der Soldat erst im März eine Reise nach Afghanistan unternommen hat. Er dürfte als Haupttäter für den Rauschgifthandel in Frage kommen, der in der bundesdeutschen Kriminalgeschichte fast ohne Beispiel ist.

Die große Rauschgiftmenge war nicht die einzige Beute, die in der Appartement-Wohnung gemacht wurde. Die Beamten fanden in den beiden Zimmern, in Kleidungs- und Gepäckstücken zahlreiche Fotos und Unterlagen von jungen Männern, die darauf schließen lassen, daß zu der Haschisch-Bande noch weitere Mitglieder gehören. Identifiziert konnten die Bilder noch nicht werden. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ist damit zu rechnen, daß in die Affäre auch Deutsche verwickelt sind. Ein Kripobeamter: „Zumindest einige junge Mädchen dürften in Frage kommen.“

Obwohl die Polizei die Informationsquelle in diesem Fall streng geheimhält, sickerte gestern nacht durch: eine Frau hat die Nürnberger Kripo auf die Spur der Rauschgifthändler gebracht. Sie wohnt in Erlangen und war mit einem der Haupttäter eng befreundet. Der Soldat löste jedoch vor ein paar Tagen diese Verbindung, worauf die Braut sich vermutlich gerächt und bei der Polizei ausgepackt hat.

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