10. Dezember 1966: Kinder mit bunten Laternen

10.12.2016, 07:00 Uhr
10. Dezember 1966: Kinder mit bunten Laternen

© Ulrich

Und wie der Markt „ewig jung“ bleiben wird, so hält es auch der Zug, denn in jedem Jahr sind neue Laternenträger dabei, die endlich das Alter erreicht haben, in dem sie mitmachen dürfen.

Die Begeisterung begann schon vor Wochen, als im Werkunterricht der Schulen gemessen und geklebt, buntes Transparentpapier säuberlich geschnitten und Stück für Stück zu den verschiedenartigsten Lichtern und Lampen gefügt wurde. Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt, obwohl sich natürlich Klassengemeinschaften bemühten, möglichst einheitliche Gruppen im kommenden Zug zu bilden.

10. Dezember 1966: Kinder mit bunten Laternen

© Ulrich

Wie viele Arbeitsstunden mögen wohl hinter den leuchtenden Rauschgoldengeln, Zwetschgenmännla und Zwetschgenfraula, den vielgezackten Sternen mit oft über einem Meter Durchmesser, den Laternen mit Engeln und Eulenspiegeln, mit Pelzmärteln und Butzenscheiben stecken? Wieviel Bangen mag der eine oder andere ausgestanden haben, ob sein „Dauerbrenner“, wie ein 12-jähriger sein Windlicht bezeichnete, oder ein batteriegespeistes Licht den nötigen Effekt bewirken wird?

Brausendes Orgelspiel

Die Aufregung äußerte sich in einem erwartungsvollen tausendstimmigen Geplauder, als sich die einzelnen Schulen auf der Fleischbrücke, in der Kaiserstraße und am Köpfleinsberg aufstellten. Da hörte man fachmännische Kritik, die das eigene Erzeugnis an der „Konkurrenz“ maß. „Die hamm awwer klane Lichter!“ oder „Des sinn doch kanne Laterna mehr, des sinn Benzinkanister oder Papierkörb“. Und während die Lehrer und Lehrerinnen immer wieder zählten, um niemanden in der Dunkelheit zu verlieren, kam die Aufforderung: „Die Stern nachher raushalten, zu de Leut, daß sie‘s sehen!“

Endlich war es soweit: 18.15 Uhr, unter Posaunenklängen setzt sich der Zug in Bewegung, bahnt sich einen Weg durch die Menschenmauern am Straßenrand, zieht am Christkindlesmarkt vorbei, taucht am Schönen Brunnen in das gleißende Licht der Scheinwerfer des Fernsehens, windet sich den Burgberg hinauf, verteilt sich nach althergebrachtem Plan in der gewaltigen Kulisse der Burg, ständig umzuckt von den Blitzen unzähliger Photographen, begleitet vom brausenden Orgelspiel aus Lautsprechern am Straßenrand.

Und während die letzten Laternenträger noch auf der Fleischbrücke sind, leuchten oben auf der Burgfreiung schon die ersten Glühwürmchen auf, postieren sich Windlichter auf dem Sinwellturm, erhellen sich die Fenster der Kaiserstallung. Die Photoblitze zucken weiter bis sich schließlich alle Mitwirkenden des Krippenspiels auf ihren Plätzen eingefunden haben.

Denn dies darf mit Recht behauptet werden: es gibt wohl keine figürliche Darstellung des Weihnachtgeschehens, an der so viele Mitspieler beteiligt sind, wie an den lebenden Bildern nach dem Nürnberger Lichterzug. Jedes Licht bildet ein winziges Stück des Rahmens, der sich um die Sandsteingrotte am Ölberg spannt. Dort zeigten Schülerinnen und Schüler auch gestern wieder die bekanntesten Ereignisse der Weihnachtsgeschichte. Tausende von Zuschauern drängten sich, um einen Blick auf das großartige Schauspiel zu erhaschen, und alt und jung stimmte schließlich in das Schlußlied „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“, ein.

Und wieder dauerte es nicht lange, bis sich der Lichterzug 1966 in aller Ordnung aufgelöst hatte. Ein großes Aufgebot der Polizei, des Roten Kreuzes, des Johanniter- und Malteserhilfsdienstes hatte wie in jedem Jahr geholfen, daß Zuschauer und Mitwirkende die festliche Stunde freudig miterleben konnten. Petrus tat ein übriges: er gönnte allen die Freude und bescherte ein Wetter, wie man es sich um diese Jahreszeit nicht günstiger wünschen kann.

Obwohl es am Morgen – teilweise kräftig – geregnet hatte und später am Abend erneut zu nieseln begann, die Kinder brauchten nicht unter den Launen des Wetters zu leiden. Mit ihnen freuten sich die vielen Großen und Kleinen, die da Kopf an Kopf den Weg der flimmernden Lichtlein säumten, über das Einsehen des Himmels, der für eine knappe Stunde seine Schleusen geschlossen hielt und damit dem schönen Ereignis einen zwar winterlichen, aber trockenen Rahmen gab.

Die Zukunftspläne

Wenn auch der große Lichterzug in diesem Jahr alter Tradition folgte, so schließt dies nicht aus, daß er in Zukunft vielleicht auch einmal anders gestaltet werden könnte. Diese Überlegung beschäftigt auch Schuldirektor Kurt Gemählich. An den Aktiven, die neue Ideen begeistert aufgreifen werden, fehlt es ihm bestimmt nicht.

Und der alte Nürnberger Christkindlesmarkt, der bis zum Heilgen Abend einen einzigartigen Anziehungspunkt für viele tausend Gäste aus nah und fern darstellt, kommt ihm dabei entgegen: er will ja „ewig jung“ bleiben.

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