10. Februar 1968: Gezügelter Protest

J. R.

10.2.2018, 07:00 Uhr
10. Februar 1968: Gezügelter Protest

© Gerardi

Das zeigte sich bei der zweieinhalbstündigen Podiumsdiskussion im seit langem einmal wieder überfüllten Auditorium maximum, in die nach kurzer Zeit auch das Plenum einbezogen wurde.

So heftig teilweise die recht unterschiedlichen Anschauungen sowohl unter der Studentenschaft als auch unter Assistenten und Professoren aufeinanderprallten, so sehr waren alle um sachliche Auseinandersetzung bemüht, zaghafte Versuche von Stimmungsmache wurden geflissentlich übergangen.

Ihren guten Willen, auf das Angebot der Professoren einzugehen, in sachlichen Gesprächen die Initiativen der Studenten aufzugreifen, bekundeten sie mit der Wahl eines fünfköpfigen Ausschusses, der die Gruppen innerhalb der Studentenschaft repräsentiert. Drei seiner Vertreter sind organisiert, im Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB), im Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS), im Hans-Böckler-Kreis (HBK).

10. Februar 1968: Gezügelter Protest

© Gerardi

Die Ausschußmitglieder sollen sich zunächst mit zwei oder drei Professoren und ebenso vielen Assistenten in Verbindung setzen, die die Zusammenarbeit bereits angeboten haben, und mit ihnen Veranstaltungen organisieren, die die Studenten über Vorgänge an der Universität wie Prüfungsordnung, Hochschulsatzung und Reformen informieren und zur Meinungsbildung anregen. In erster Linie soll dies in Form von Diskussionen geschehen.

Zunächst hatte es nicht so ausgesehen, als ob alles in ruhigen Bahnen verlaufen sollte. Denn die dem SDS nahestehende Gruppe, die das "sit-in" in Erlangen organisiert hatte, entsandte Vertreter. Doch sie schilderten nur noch einmal die Vorfälle aus ihrer Sicht und entschuldigten ihr Vorgehen damit, daß bisher in Gesprächen nur erreicht worden sei, daß Reformen an Randgebieten statt an Zentralstellen möglich wurden.

Sie beriefen sich auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf Demonstration und erachteten im Vergleich dazu den Hausfriedensbruch als geringfügiges Delikt. So endete ihr zunächst mißbilligtes Erscheinen mit dem Beifall der Studentenschaft, zumal vorher Professoren selbst die Demonstration als "Mittel, Initiativen vorwärtszutragen" bezeichnet hatten.

Die Einschränkung, die Professoren dürfen aber nicht in ihrem Versammlungsrecht gestört werden, ließen die Studenten nur gelten, wenn durch die Form des Vorgehens künftige Gespräche unmöglich gemacht würden, es also zu Ausschreitungen oder tätlichen Angriffen komme.

Die immer wieder aufgeworfene Frage, wie es zu dem als ungerecht bezeichneten Ausschluß der 10.000 Studenten für zwei Tage kam, blieb unbeantwortet, die Professoren wandten sich lieber den eigentlichen Meinungsverschiedenheiten zu, zu denen vor allem die geforderte Drittelparität in allen Hochschulgremien und der daraus entstandenen Disput um die Sachkompetenz gehörten.

Das Bekenntnis von Dekan Prof. Dr. Eugen Sieber, schon immer für die Mitarbeit der Studenten gewesen zu sein, ja sogar ihren Beitrag zur Hochschulreform gefordert zu haben, ohne die Universität zum Podium politischer oder gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen werden zu lassen, stieß auf wenig Gegenliebe. Denn er hatte zwar der Beteiligung das Wort geredet aber nicht der paritätischen.

Wie sehr das Gros der Studenten von ihren ureigensten Probleme berührt ist, zeigte sich trotz oft lebhaften Beifalls für ihre Sprecher erst bei dem Vorschlag, einen Ausschuß zu bilden, der die Diskussion in Gang hält: ein kümmerliches Drittel wirklich engagierter Studenten blieb zur Wahl.

Wenn am Montag, 12. Januar, um 13 Uhr im Auditorium maximum zur ordentlichen Vollversammlung nicht mehr Studenten erscheinen, verurteilen sie ihre eigene Vertretung zur Arbeitsunfähigkeit, da bisher nicht einmal alle Referenten bestätigt sind.

In vollkommener Ruhe, zumindest nach außen hin, versank gestern auch die Universität in Erlangen. Nur einige wenige Diskussionsgruppen hatten sich gebildet. Der AStA will erst am Dienstag das öffentliche Gespräch unter dem Thema "Vorrang und Ablauf der Satzungsberatung an unserer Universität" aufnehmen. Außerdem kündigte der Initiativausschuß in einer Pressekonferenz für nächste Woche weitere Demonstrationen an.

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