10. Februar 1969: Am Rande der Messe

N. W.

10.2.2019, 07:00 Uhr
10. Februar 1969: Am Rande der Messe

© Zeitner

Die Organisatoren hoffen, daß die Gäste zufrieden sind und Nürnbergs Gastronomen rechnen sich neben anderen Geschäftsleuten höhere Umsätze aus.

Ein gelbes Ansteckschild mit der Silhouette der Burg und dem Pferdchen als Markenzeichen der Spielwarenmesse ist der Schlüssel für die Ausstellungshallen. Wer dieses Abzeichen nicht deutlich sichtbar trägt, wird von den Männern des Aufsichtsdienstes zurückgewiesen. Nur für die prominenten Ehrengäste gibt es eine Ausnahme. Sie erkennt man daran. daß sie keinen Reiter tragen. Für die Aussteller ist das Pferdchen grün, für die Besucher aus dem Inland himmelblau, für die Ausländer weiß, für die Presse schwarz und für Leute, die Würstchen verkaufen oder Sonderstempel feil halten, ist es rot.

Gleich rechts neben dem Haupteingang hat sich der „Kinderparkplatz“ etabliert. An Spielzeug fehlt es den Buben und Mädchen nicht. Die kleine Gesellschaft ist international wie die Messe: ein kleiner Österreicher vergnügt sich im Kinderwagen mit einer Klapper, ein Franzose labt sich an Kakao, zwei Mädchen spielen miteinander, als ob sie sich schon Jahre kennen würden. Die eine kommt aus Hamburg, die andere aus München.

Die Garderoben quellen über. In den Gängen zwischen den Kleiderständern müssen die Frauen Koffer und Taschen abstellen, ein Zeichen, daß viele Besucher direkt von der Autobahn oder vom Bahnhof die Messe ansteuern, um die kostbare Zeit von Anfang an zu nützen. Ausländer holen ihre Messeausweise an besonderen Schaltern ab. Sie geben ihre Geschäftskarten ab, die als Unterlagen für die Strichliste mit den Ländernamen dienen.

Hochbetrieb herrscht auch auch an den festen und rollenden Erfrischungsständen. Zwischen zwei Abschlüssen finden die Einkäufer fünf Minuten Zeit, um sich mit heißen Würstchen zu stärken und ihren Durst aus Pappbechern zu stillen. Gesprächsthema Nummer eins bleibt das Geschäft. In den Restaurants wird kein Stuhl kalt. Die Kellner schlängeln sich wie Artisten mit Tabletts durch die Reihen der Nachdrängenden. Wer einen Platz ergattert hat, studiert die dreisprachige Speisekarte. Eine starke Küchenbrigade sorgt dafür, daß die Wartezeit auf ein Minimum beschränkt bleibt.

Im Treppenhaus zum Keller schneiden Dekorateure Schilder und bekleben sie mit Buchstaben, auf dem Postamt werden Gespräche nach Paris und London angemeldet, in der Wechselstube kaufen Schweizer und Holländer Deutsche Mark und in den Büros der Spediteure geben sich Kunden die Türen in die Hand.

Das Arbeitsamt hat den Ausstellern rund 350 Aushilfskräfte, davon die Hälfte Studenten, vermittelt. In einem Außenbüro sitzen zusätzliche Arbeitswillige auf Abruf bereit. Auch sie rechnen sich im großen Geschäft eine kleine Chance aus.

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