14. Juli 1968: Die Kehlen mit Freibier entstaubt
14.7.2018, 07:00 UhrDas traditionelle Fest der Verbundenheit mit der Hohen Schule reichsstädtischer Gelehrsamkeit sollte entstaubt werden. So forderten es kleine Klebezettel, die wie Tupfen über Mauern und Zäune verteilt waren. Das offizielle Einladungsplakat war schon gereinigt: es rief zum Altdorf-Festival.
Für die Beförderung der etwa 300 akademischen Bürger sorgte in bewährter Weise die Bundesbahn. Das Willkommensgeleit vom Bahnhof zur einstigen Universität im Wichernhaus gab ihnen aber nicht die Altdorfer Wallensteinkapelle, sondern die Dixie GmbH. Im offenen Sportwagen rollte die Band im ersten Gang dem Zug über das holprige Pflaster des Städtchens voran.
Die Begrüßung war kurz und fast ein wenig förmlich. Stefan Straub, der erste Vorsitzende der Studentenvertretung Nürnberg, hieß „die Herren vom Verfassungsschutz“ besonders willkommen. Er meinte, die Nachricht von der Entstaubung habe etwas Unruhe ausgelöst, aber dies sei für eine Landstadt gar nicht schlecht. Altdorfs zweiter Bürgermeister Friedrich Weißkopf griff die Bemerkung auf und lud die Studenten ein, das Pflaster zu kehren. Anstelle des Stadtschlüssels schenkte er dem Dekan der 6. Fakultät, Professor Dr. Eugen Sieber, ein Bild.
Die Spectabilität fand schließlich zum verbindlichen Beginn. Man dürfe, so sagte Professor Sieber, den heutigen Umgangston nicht so ernst nehmen. Das Altdorf-Fest könne wie bisher zur Aussprache im geselligen Rahmen beitragen. Zur Bekräftigung seiner Worte band sich der Dekan eine Gummischürze um und trieb den Hahn in das erste Faß Freibier, dessen Inhalt die Kehlen entstaubte.
Auf dem Podium diskutierten so dann Professoren, darunter Rektor Professor Johannes Herrmann, Studenten und Journalisten über die Frage, ob die Universitätstradition noch Zukunft habe. Vor einem beachtlichen Zuhörerkreis lieferte das aktuelle Thema eineinhalb Stunden Stoff für ein fruchtbares Gespräch im Zeichen der Hochschulreform.
Kompromißlos und deutlich waren dagegen die Erkenntnisse von vier namhaften Sängern zur Laute, die Chansons über Politgammler und Polizei, den Krieg und die Zukunft vortrugen und unter Anspielung auf das Blome-Urteil versicherten: „der deutschen Justiz wird's heiß unterm Sitz.“
Apropos Blome: der Nürnberger Kabarettist, der Studenten und Professoren beschimpfen sollte, trat nicht auf. Offiziell hieß es, er habe wegen seines Ärgers mit dem Gericht keine Zeit zu Proben gefunden. Seine Darbietung, beschränkte sich auf drei Worte beim abendlichen Tanzvergnügen in der Turnhalle: „Sitzenbleiben, öfter Sitzenbleiben.“
Der Ausklang des Festivals in den beiden größten Sälen Altdorfs unterschied sich nicht mehr von früheren Altdorf-Festen: es herrschte eine Bombenstimmung. Studenten, Professoren und Einheimische gingen auf Tuchfühlung, auf Wunsch der Professoren gab es das traditionelle Sackhüpfen.
Niemand hatte Grund zur Klage; Veranstalter und Gastronomen waren mit dem Erfolg gleichermaßen zufrieden. Als die Abschiedsstunde schlug, bestiegen auch Studenten, die mit Autos gekommen waren, den Sonderzug. Sie haben ihre fahrbaren Untersätze gestern mit Freuden abgeholt, weil Altdorf das schönste am Altdorf-Festival bleibt.
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