17. Dezember 1967: „Is er a gout gwaxn?“
17.12.2017, 07:00 UhrUnd schon vom ersten Verkaufstag an herrscht an den Tannen- und Fichten-Basaren Hochbetrieb. Denn mag man nun bereit sein, des schmalen Beutels wegen zu Weihnachten auf einiges zu verzichten – auf den Tannenbaum bestimmt zu allerletzt. Schließlich muß der Familienchor zur Christnacht ein Alibi haben, wenn er „O Tannenbaum“ intoniert.
Was den Käufern und Kunden an ihrem Baum am wichtigsten erscheint? Wir haben uns eine Baumbörse in der Innenstadt herausgesucht und beobachtet, wie es die Nürnberger am liebsten hätten. Als Mitverkäufer brachte unser Reporter seine Kunden nicht gerade auf die Palme, zumindest aber auf die Tanne.
Nur die allerwenigsten Bäume auf Nürnbergs Gabentischen werden echte deutsche Tannen sein. Im Inland finden sich nur noch wenige Exemplare, die nach Wuchs und Haltbarkeit die lange „Durststrecke“ überstehen. Bis nach Dänemark reisen die Baumhändler, um sich ihr Kontingent für die heimischen Wohnungen zu besorgen. Läuft der Baumhandel flott, lassen sich bis zum 24. Dezember etwa 1500 Bäume pro Stand absetzen. Von einem Meter bis zu knapp fünf Metern kann jedes Zimmer, jede Halle wunschgemäß bedient werden. Der Starbaum ist noch immer die Tanne: sie hält länger und ist zugleich ein ganzes Stück teurer.
Neben so vielen Neuerungen beschert das Jahr 1967 auch einen ausgesprochenen Modebaum: die Kiefer. Aber nur wenige Stände sind auf diese überraschende Nachfrage eingerichtet. Für die kommenden Jahre – so künden die Baumbauern an – müssen sie sich schon mehr einfallen lassen: etwa bereits gepflanzte Tannen, die noch länger halten, oder zartbereifte Exemplare, die auch noch am 6. Januar waldfrisch aussehen. Der Kunde ist und bleibt eben auch hier der König.
Man glaubt gar nicht, was sich Familienväter und Familienmütter alles einfallen lassen, wenn der Baum seine Taxierungsprobe bestehen soll: „Horng‘S, däi Ästla schaua aba a weng dürfti aus. Halten etz dou däi Kerzn iebahappt? Knickng däi etz net um, wemma a weng an Schmuck drohängt und däi Woar?“ Die alte Dame wird beruhigt: „Des hängt alls su fest, des gräing‘S goar nemma runter!“.
Hört man den Herren der Schöpfung zu – man glaubt, er erkundigt sich nach der Frau des Verkäufers: „Is a gout gwaxn? Wäi schautsn aus, wenns drinna im Zimmerla steht? Kohs a wos vertragen? A weng deier werds scho sei, mahn i!“ Das kleine Baum-Einmaleins bringen mir die Händler rasch bei: „Scho wenn jemand blouß schaut, wos lous is, glei hie und an Baum empfehln!“
Also: Gnädige Frau, darfs für ein kleines, ein großes Zimmer sein? Oder suchen sie noch die schönste Tanne ihres Lebens?“ Mißtrauischer Blick: „Schaua‘S, wäi trog ich denn des Drumm hamm? Wemma kann Mo net hout, schleppt ma si ja z‘toud!“ Ich empfehle den Baum einzuschnüren, dann trägt er sich leichter als eine Einkaufstasche! – „Ach naa, nou wär‘n ma däi Zweichla hie, nou koh iech nan glei aafm Mist naafwerfm!“
„Schdenna däi Bäim net scho lang Ihna dou rum? Net, daß wennis in däi Wohnung du, daß nou glei die Bescherung rohrieselt? – „Keine Angst, im Wald sind sie auch nicht frischer als bei uns!“ – „Moch scho sei, aba billiger!“ – „Das dürfen Sie nicht sagen, denn wenn sie der Forstmeister erwischt … dann kommen unsere schon noch billiger!“ – „Wou kummt bei däi ann der scheene Glanz her, bei däi andern schauts so schdumpf aus?“ – „Da sehen Sie mal, es kommt ganz darauf an, wo der Baum gestanden hat. Die einen haben eben mehr Sonne, dann glänzen sie auch mehr!“ – A gäih, su a Gschmarr!“
Die Bäume werden ausprobiert, man denkt sich das häusliche Zimmer hinzu: „Dou schau her, Herbertla, denk da amoul dou unsan Schrank, dou is der Diesch, dou hert da Teppich aaf – und dou, dou wo iech hiezeich, – dou kummta hie!“ – Der Gatte: „Etz frouch amoul den Herrn dou, obba aa in unsa Autola neibaßt, sunst kenna man net nemma!“
Ich werbe für Weihnachten: „Machen Sie das Fest 1967 schöner als alle anderen! Bäume nur, solange Vorrat reicht!“ (Mein „Kollege“: „Dou braungs ka Sorch net hom, wenn däi aus sind, hamma nu anne dahamm!“) – „Wissen mäihn‘S, daß mir a lange Schbitz homm mäihn. Wall unsa Oma hout uns vuhr drei Joahr a Engala vo Südtirol mitbracht, des mou aaf däi Schbitz naaf, sunst ist bei unsere Boum is ganze Fest im Aamer!“ – „Aber ich bitte Sie, da lassen sich doch ein paar kleine Zweige wegschneiden, dann haben Sie die längste Spitze, die Sie jemals gesehen haben!“ „Ach naa, su gäiths ja aa net, droh rumdoktern wolln ma nix!“–
„Aans wil i Ihna sohng: Is letze Jahr hout unsa Bäimla scho noch zwa Tag g‘nadelt!“ – „Dann haben Sie ihren Baum aber nicht bei uns gekauft – unsere nadeln erst im nächsten Jahr!“ – „Nana, des wor scho dou!“ – „Dann haben Sie aber Ihr Zimmer überheizt! Das hält ja der strammste Baum nicht aus!“ – „Glahm‘S, mir hockng uns in däi Kält, blouß damits der Tannabaam gout hout?“ – „Vielleicht haben Sie einen Balkon? Ich würde ihn halt nach jeder Weihnachtsstunde rausstellen, dann passiert nichts!“ – „Aja, des is fei wahr – nou gemm‘S ma glei denn drum Lackl dou miet!“
„Kein Fest ohne Fichte!“ preise ich an, „kaufen Sie jetzt, am 25. ist es zu spät!“ – „Horng‘S, iech hob amol a Frouch: Mei Frau, ne, will imma Lametta naafhänga, ne, iech aba, ne, mahn, Äpfl und Plätzla sind halt doch schenna als asu a Glitzerzeich!“ – „Kaufen Sie sich halt zwei Bäume, einen für Sie, einen für die werte Frau Gemahlin!“ „Ach, mir hamm doch blouß a klanns Zimmala, dou siechts doch bläid aus, wenn zwa solche Brumma drinnaschdenna!“ – „Dann hängen Sie eben die vordere Hälfte voll, die gnä‘ Frau die Rückseite!“ – „Nu, däi Rückseitn siecht ma doch net!“ – „Ja eben!“
Undsoweiter, undsoweiter. Eine bleibende Erinnerung an den Christbaumverkauf hatte ich noch bis zum Abend: kalte Füße.
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