17. Januar 1968: "Nürnberg wird vernachlässigt!"
17.1.2018, 07:00 UhrDer Flughafendirektor konnte zwar ein erfreuliches Ergebnis für das Jahr 1967 vorlegen, das die ständige Aufwärtsentwicklung im Fluggast- und Frachtverkehr unterstreicht, mußte aber bedauernd erklären, daß die Zahlen weit besser hätten ausfallen können, "wenn uns die Lufthansa nicht im Stich gelassen hätte".
Es läßt sich schon jetzt erkennen, daß ein Mangel an Maschinen wie im vergangenen Jahr in den Monaten April, Mai und Juni erneut zu Schwierigkeiten führen wird. "Muß das immer zu Lasten von Nürnberg gehen?" fragte Müller-Gutermann und gab zu bedenken, daß sich der Ausfall nur eines Flugzeuges hier stärker bemerkbar macht als auf Flughäfen mit mehr Linienverkehr.
Die Nürnberger Direktion ist enttäuscht, weil der Lufthansa-Vorstand ihr immer wieder Versprechungen macht, die er nicht hält. "Ich weiß fast nicht mehr, was ich tun soll", klagte Helmut Müller-Gutermann, der schon die Stadt und den Staat mobilisiert hat, um gegen die Benachteiligung Nürnbergs zu protestieren. Sein Zorn scheint verständlich, denn er weiß bereits, daß die Lufthansa ab 1. April die Vormittagskurse nach Hamburg und München, die so lange gefordert und umkämpft waren, einstellen wird. Der Nürnberger Bezirksleiter der Lufthansa, Artur Deutsch, machte darauf aufmerksam, daß seine Gesellschaft die neuen Kurzstrecken-Maschinen vom Typ Boeing 737 verspätet geliefert bekommt und nach dem Verkauf der Convair Metropolitan in die Klemme geraten ist.
Er tröstete den Direktor mit dem Hinweis auf einen neuen Kurs Nürnberg – Frankfurt – London, der mit der Boeing 727 geflogen wird und die Nachmittags- und Abendverbindungen mit der Boeing 737 nach Düsseldorf, konnte damit aber die Wogen der Erregung nicht glätten. "Schließlich ist gerade der Vormittag für den Geschäftsreisenden interessant, da aber fehlt es an allen Ecken und Enden!" meinte Müller-Gutermann.
Deutsch setzte dem entgegen, daß die Boeing 737 mit 84 Plätzen für den Vormittagsflug nach Frankfurt ausreichen dürfte. Allerdings mußte er selbst einräumen, daß diese neue Maschine Nürnberg Anfang März anfliegt (sie war schon für Weihnachten versprochen), aber am 1. April schon wieder abgezogen und durch eine "zu kleine" Viscount mit nur 64 Plätzen ersetzt wird. "Es ist für einen Flughafen ein Schlag ins Gesicht, wenn den Passagieren erst ein schönes Flugzeug vor Augen gehalten, nach vier Wochen aber wieder entzogen wird", erklärte Müller-Gutermann; Artur Deutsch mußte bekennen: "Der Wechsel ist nicht nur optisch, sondern auch praktisch schlecht."
Nicht nur der Flughafendirektor, sondern mit ihm viele Fluggäste fragen sich, weshalb die niederländische Fluggesellschaft KLM keine Verkehrsrechte auf der Strecke Nürnberg – Frankfurt bekommt, wenn die Lufthansa schon nicht über genügend Maschinen verfügt. Die KLM hat im April 1967 ihren Kurs Nürnberg – Frankfurt – Amsterdam einstellen müssen, denn er war nicht wirtschaftlich genug, weil sie von einem deutschen Hafen zum andern keine Passagiere befördern durfte.
Das Verhalten der Lufthansa führe – so Müller-Gutermann – zu der unerfreulichen Erscheinung, daß die Zuwachs-Raten nicht über den Durchschnitt steigen und bringe dem Flughafen den Vorwurf ein: "Bei Euch ist ja nichts los!" Als Folge davon werden dann wiederum Linienflüge eingeschränkt. Gewisse Hoffnungen knüpft Direktor Müller-Gutermann an das Olympia-Jahr 1972, das Nürnberg möglicherweise neuen Auftrieb bringen dürfte. Er hat dem bayerischen Wirtschaftsministerium auf Anfrage mitgeteilt, daß sein Hafen einen Teil des Flugverkehrs für München übernehmen könnte, denn es sei ihm möglich, den zwei- bis dreifachen Betrieb zu verkraften.
Die Anfrage des Ministeriums läßt darauf schließen, daß der geplante Münchner Flughafen vielleicht bis zum Olympiajahr noch nicht fertig ist.
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