1981: Pupsende Heringe und Whiskey on the rocks auf Schwedisch
22.10.2011, 14:26 UhrDas blockfreie Schweden fühlt sich schon seit geraumer Zeit von fremden Mächten unter die Lupe genommen. Immer wieder orten Spezialisten der Marine feindliche U-Boote in ihren Hoheitsgewässern, doch stets entwischen die Eindringlinge. Jetzt also kann endlich mal ein U-Boot dingfest gemacht werden.
Auf diplomatischer Ebene führt der Vorfall zu ernsthaften Irritationen. Schweden erwägt, den Kommandanten der auf Grund gelaufenen W137, ein U-Boot der „Whisky“-Klasse (Nato-Bezeichnung), wegen Spionage anzuklagen. Das Außenministerium bestellt den sowjetischen Botschafter gleich zweimal wegen „sehr ernster Verletzungen schwedischer Hoheitsgewässer“ ein. Die Regierung besteht zudem darauf, den Havaristen alleine, ohne russische Unterstützung zu bergen.
Die Situation vor der Küste droht zu eskalieren, als die Schweden ein weiteres U-Boot orten. Das Schiff verlässt das Seegebiet jedoch wieder, nachdem mehrere mit Wasserbomben bewaffnete Hubschrauber die Verfolgung aufnehmen.
Der sowjetische Kommandant der W137, Pjotr Guschin, streitet freilich jede Spionageabsicht ab. Er habe sich in einer Notlage befunden, weil sein Navigationssystem gestört war, gibt er an. Doch die schwedischen Behörden wollen nicht glauben, dass er sich verfahren hat. Sie vermuten vielmehr, die W137 habe das engmaschige Überwachungsnetz, das die Marine vor der zerklüfteten Küste gespannt hat, bewusst unterfahren.
Auf der seit Tagen festsitzenden W137 wird derweil die Stimmung zunehmend gereizter, schließlich weiß die Besatzung nicht, wann sie endlich das Schiff verlassen und in die Heimat zurückkehren darf. „Die Besatzung schreit sich gegenseitig an und die Offiziere teilen Fußtritte an die Mannschaft aus“, beobachten die Schweden.
Nach einer Woche schließlich geht die Sowjetunion auf die schwedischen Forderungen ein: Es gibt eine offizielle Entschuldigung, die schwedischen Behörden dürfen den Vorfall untersuchen, der Kommandant muss sich auf einem schwedischen Torpedoboot befragen lassen, und die Russen kommen für die Bergungskosten auf. Die Marine schleppt daraufhin den Havaristen in sichere Gewässer und geht an Bord.
U-Boot freigegeben
Am 7. November melden die Nürnberger Nachrichten schließlich ihren Lesern: „Schwedens Regierung hat das sowjetische U-Boot 137, das vor zehn Tagen in einem militärischen Sperrbezirk vor der Küste von Karlskrona gestrandet war, freigegeben.“
Doch damit ist die Affäre noch nicht ausgestanden. Innenpolitisch steht Verteidigungsminister Torsten Gustafsson unter Druck. Er sorge nicht dafür, dass die 2700 Kilometer lange Küste Schwedens ausreichend gesichert sei. In der Folge verstärkt die schwedische Regierung ihre Anstrengungen bei der Suche nach Eindringlingen in ihre Gewässer.
Und die scheint es nach wie vor zuhauf zu geben. Regelmäßig rückt die Marine aus, weil sie schon wieder das Geräusch fremder U-Boot-Motoren mit ihrem Sonar vernommen hat. Doch den Soldaten geht kein Fang mehr ins Netz, so dass man sich bald international über die erfolglosen Schweden lustig macht.
Diese Erfolglosigkeit wird für das skandinavische Land noch so richtig peinlich. Im Jahr 2000 bekennt der damalige amerikanische Verteidigungsminister Caspar Weinberger, dass die amerikanische Marine nach 1981 häufig und regelmäßig in schwedische Gewässer eindrang. Das schwedische Militär wusste von den Aktionen, nicht aber die Regierung mit Olof Palme an der Spitze. Dessen kritische Haltung zum Vietnamkrieg und das Beharren Schwedens auf Blockfreiheit war den USA in Zeiten des Kalten Krieges stets ein Dorn im Auge.
Noch unangenehmer ist der schwedischen Regierung allerdings eine Forschungsarbeit der Meeresbiologen Magnus Wahlberg und Hakan Westerberg. Die beiden Wissenschaftler hatten zufällig die Tonbandmitschnitte der Marine von den Geräuschen der U-Boot-Motoren gehört und anschließend systematisch die Bänder analysiert. 1993 geben sie ihren Bericht ab, der von offizieller Seite als „Geheim“ abgestempelt und weggesperrt wird. Zugleich stellt die Marine ihre Suchaktionen ein.
Nach zehn Jahren Schamfrist dürfen Wahlberg und Westerberg mit ihren Forschungsergebnissen an die Öffentlichkeit. Die Geräusche, die die Schweden über Jahre hinweg genarrt hatten, stammten von Heringen. Die Fische hatten Gase über ihre Afteröffnung ins Wasser entlassen. Oder einfacher ausgedrückt: Sie hatten gepupst.
Wahlberg und Westerberg erfuhren für diese Erkenntnis eine besondere Würdigung. Für ihren skurrilen Nachweis, dass Heringsfürze der Kommunikation der Fische untereinander dienen, erhielten sie im Jahr 2004 den Ig-Nobelpreis für Biologie.
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