22. Januar 1968: Der große Reigen der Universität
22.1.2018, 07:00 UhrObwohl die Verlegung des Winterfestes vom Erlanger Studentenhaus in die einige hundert Plätze mehr bietende Festhalle der Nachbarstadt ein Novum war und man zur Teilnahme nicht stärker als sonst animiert hatte, konnte Rektor Professor Dr. Johannes Herrmann zur Begrüßung feststellen, das die Universitätsfamilie auch dieses Haus füllte.
Man sah die Oberhäupter der beiden Universitätsstädte, Bundestags- und Landtagsabgeordnete, führende Männer der Industrie und des kulturellen Lebens, Mitglieder des Universitätsbundes und die Universität selbst: Magnifizenz, Spektabilitäten, Ordinarien, Dozenten, Assistenten und Studenten.
Einige Herren hatten die feierliche Strenge des Smokingschwarzweiß durch weinrote Fliegen aufgelockert, nur ein einziger Avantgardist hatte sich mit dem in der Internationalen High Society neuerdings beliebten weißen Pullover unter der Smokingjacke ausstaffiert. Die Damen dagegen boten nahezu alles, was sich die Modeschöpfer in diesen Tagen haben einfallen lassen, vom großen Abendkleid bis zum gestrickten Netz-Mini, von Rock und Bluse bis zum Hosenanzug, hochgeschlossen oder mit Ein- und Durchblicken an verschiedensten Stellen. Alls in allem ein überwiegend erfreulicher und in manchen Details glanzvoller Anblick.
Schließlich ist so ein Fest nicht nur zum Tanzen da, sondern auch zur Kontaktpflege. Sie kam in Stehkonventen und durch nomadisierende Würdenträger, durch handküssende Charmeure und feste Griffe auf den Tanzflächen zu ihrem Recht. Nach zwei Uhr morgens nutze man die beleuchtungstechnischen Möglichkeiten des großen Saales dazu, die Gäste durch den Wechsel von kalkweißer Unbehaglichkeit und Dämmerschein darauf aufmerksam zu machen, daß es Zeit sei, der pünktlich heimgegangenen Kapelle zu folgen – eine Tatsache, die nicht gerade von vorzeitig einsetzender Langeweile zeugt.
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