24. August 1968: Aus dem Hobby wurde Sport
24.8.2018, 07:00 UhrIhnen stehen neun moderne Maschinen zur Verfügung, mit denen sie bereits 5,5 Mill. Kilometer zurückgelegt haben. Gemeinsam mit dem Fliegerclub Nürnberg, dem Modellflugclub und der Modellfluggruppe "Stratos" setzt der Aero-Club eine Tradition fort, die fast auf den Tag genau vor sechzig Jahren begründet wurde: am 29. August 1908 hoben begeisterte Flieger den "Nürnberger Verein für Luftschiffahrt" aus der Taufe.
Trotz zweier Kriege und vieler Rückschläge haben sich seitdem immer wieder Männer gefunden, die unermüdlich und unter persönlichen Opfern für ihr seltenes Hobby eingetreten sind. Aus dem gefährlichen Steckenpferd von einst ist heute ein Sport geworden, den Tausende betreiben.
Keine exklusive Gruppe
Die Motorflieger stehen allgemein in dem Geruch, eine exklusive Gruppe zu sein. "Das ist schon lange nicht mehr der Fall", meint der 2. Vorsitzende des Aero-Clubs, Oberbaurat Adolf Bickel. Lächelnd gesteht er: "Die Fliegerei ist zwar nicht besonders billig, aber auch nicht übertrieben teuer." Für die Flugstunde müssen die Motorflieger Beträge zwischen 42 und 112 Mark zahlen. Der Preis richtet sich nach der Maschine. Der Aero-Club nennt fünf schnittige "Vögel" sein eigen: zwei Schulflugzeuge vom Typ "Cessna 150" (Preis: je 44.000 Mark), eine dreisitzige "Jodel Ambassadeur" (33.000 DM), eine viersitzige "Cessna 172" (70.000 DM) und eine "Jodel Regent" (80.000 DM). Außerdem hat er vier Flugzeuge unter Chartervertrag.
Ob die relativ niedrigen Flugpreise auch künftig beibehalten werden können, ist fraglich. Hierzu Oberbaurat Adolf Bickel: "Wir kämpfen schon seit Jahren darum, daß unser Club als gemeinnützig anerkannt wird. Das Finanzministerium sträubt sich allerdings mit Händen und Füßen dagegen." Nachdem der Club gegen sämtliche Steuerveranlagungen Einspruch erhoben hat, schwebt über ihm eine beträchtliche Steuerlast. "Wir müssen die Gelder nachbezahlen", befürchtet der 2. Vorsitzende, "wenn unsere Verhandlungen negativ verlaufen". In diesem Fall kommt der Aero-Club, der im Jahr etwa 200.000 Mark umsetzt, an einer Preiserhöhung nicht vorbei.
Weniger finanzielle als vielmehr technische Probleme beschäftigten die Luftakrobaten, die vor 60 Jahren den "Nürnberger Verein für Luftschiffahrt" gegründet haben. In den ersten Jahren befaßte er sich in erster Linie mit dem Freiballonsport. Die Aufstiege erfolgten damals auf dem Volksfestplatz am Ludwigsfeld, am Gaswerk in Sandreuth, in Erlangen, Lauf, Wiesbaden, Gersthofen und Frankfurt. Die Erfolge waren auf Anhieb beachtlich: Freiballone legten Strecken bis zu 700 Kilometer zurück.
1912 vereinigte sich der Verein mit dem „Flugtechnischen Klub“ und führte von dieser Zeit an den Namen "Verein für Luftschiffahrt und Flugtechnik Nürnberg-Fürth". Am Hainberg wurde eine Flugzeughalle errichtet und zahlreiche Konstrukteure nahmen ihre Arbeit auf. Gleich nach dem Krieg setzten die Mitglieder den Flugbetrieb wieder fort. Es entstand eine Modellbaugruppe und eine Segelflugabteilung, die an zahlreichen Wettbewerben auf der Wasserkuppe teilnahm und das bekannte Segelfluggelände Hesselberg erschloß. Zahlreiche Preise und Trophäen künden noch heute von den großen Taten der Flieger, die sich überall in Deutschland einen guten Namen gemacht haben.
Pioniere des Flugsports
Der zweite Weltkrieg unterbrach den Flugbetrieb, aber schon gleich nach 1945 fanden sich die "alten" Kämpen wieder zusammen und riefen den Aero-Club ins Leben, der zunächst nur Segelflugzeuge starten lassen konnte. Seit 1955 entfaltet die Motorfluggruppe eine lebhafte Aktivität. In den 13 Jahren ihres Bestehens hat sie sämtliche Flüge ohne jeden Unfall überstanden. "Darauf sind wir stolz", meint Oberbaurat Bickel. Diese Leistung würdigte auch das Bundesverkehrsministerium, das dem Club schon dreimal den Flugsicherheitspreis verliehen hat.
Neben dem Flugsicherheitsbeauftragten Rudolf Müller, der seit 42 Jahren am Steuerknüppel sitzt und nach dem ersten Weltkrieg als erster Flieger mit einem Doppeldecker in Atzenhof gelandet ist, zählt Willy Pelzner zu den Pionieren des Flugsports. Der heute 68-jährige Ingenieur gilt als Wegbereiter des deutschen Segelflugs in den zwanziger Jahren. Obwohl er zwei Schädel- und zahlreiche Knochenbrüche sowie schwere innere Verletzungen erlitt, ging er immer wieder in die Luft.
Noch heute erinnert der "Pelzner-Hang" auf der Wasserkuppe über der Fuldaquelle an den Nürnberger, auf dessen Namen das Gelände getauft wurde. Nach Abstechern in Rositten und anderen bedeutenden europäischen Segelflugplätzen ging der Ingenieur nach Schweden, wo er elf Jahre lang eine Segelflugschule und ein Forschungsinstitut für Leichtflugzeugbau betrieb. Willy Pelzner hat insgesamt 223 Segelflugzeuge und Leicht-Motorflugzeuge gebaut und 12.000 Starts hinter sich gebracht.
Trotz seiner 68 Jahre will er der Fliegerei nicht ade sagen. Er schmiedet sogar noch große Pläne. "In den nächsten Monaten mache ich meinen Pilotenschein", prophezeit er. Schwierigkeiten befürchtet er nicht. Pelzner: "Das ist kein Problem. Ich schaffe das bestimmt."
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