24. November 1967: Rettung aus tristem Lagerleben

24.11.2017, 07:00 Uhr
24. November 1967: Rettung aus tristem Lagerleben

© Ulrich

"Im Schafhoflager müssen unbedingt weitere Fürsorge-Wohnungen errichtet werden", erklärt die SPD-Fraktion und wünscht, dass für diesen Zweck eine Million Mark im außerordentlichen Haushalt bereitgestellt wird. Der Betrag könnte - so meint die Stadtrats-Mehrheit - der Wohnungsbau-Rücklage entnommen werden und soll dazu beitragen, das Los solcher Familien zu erleichtern, die durchaus geeignet sind, in normalen Wohnungen ein Dach über den Kopf zu bekommen.

Denn die landläufige Meinung, jeder Bewohner des Schafhoflagers sei auf der untersten Sprosse der sozialen Stufenleiter angelangt und lasse sich überhaupt nicht mehr in ein geordnetes Dasein zurückführen, stimmt gottlob nicht.

"Die Zustände im Schafhoflager bedürfen dringend der Abhilfe", begründet die SPD-Fraktion ihre neuerliche Forderung, mit der sie zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen hofft. Einerseits sind zahlreiche Baracken so heruntergewirtschaftet, dass jeder Pfennig für Reparaturen, für Provisorien nur zum Fenster hinausgeworfen wäre. Andererseits könnte mit den neuen Fürsorge-Wohnungen der Weg nach oben geebnet werden, wobei die SPD an solche Menschen denkt, die Hilfe verdienen.

"Das ist der größte Teil", versichert Verwaltungsrat Heinrich Ries, der Leiter des Sozialamtes. Auch die Lagerleitung kann auf Anhieb ein Dutzend Familien nennen, die lieber heute als morgen dem Lagerleben entrinnen möchten. „Ich will einfach raus hier“, erklärt Christl M. Mit vier Kindern - sechs, vier, zwei und ein Dreivierteljahr alt - teilt sie ein kleines Zimmerchen im Verwaltungsbau, in dem es trotz der qualvollen Enge blitzsauber aussieht. "Da heraußen wird ma deprimiert. Da hast ka Freud mehr", gibt die Schweinauerin Helen St. zu, deren siebenköpfige Familie (und eine Schäferhündin) vier wohnlich eingerichtete Zimmerchen mit je zwölf Quadratmeter bewohnt.

Sie zählen zum Kreis der Schafhoflager-Insassen, von denen Verwaltungsrat Heinrich Ries meint, sie seien auch in einer besseren Wohnung denkbar, sie würden sich auch in einer gesünderen Umgebung zurechtfinden oder zumindest sehr rasch lernen, sich zurechtzufinden.

Sozialreferent Dr. Max Thoma, dem das Lager wie ein Blotz am Bein hängt, setzt jedenfalls große Hoffnungen auf die von der SPD beantragte Summe, von der nach seinen Schätzungen rund 40 Fürsorge-Wohnungen gebaut werden könnten. Zwar ändert sich der Personenkreis aus dem Schafhoflager, der dafür in Frage kommen würde, ständig, weil es immerhin alljährlich 100 bis 120 Familien gelingt, in normalen Mietverhältnissen unterzukommen. Aber der Zustrom hält weiter an.

Dr. Max Thoma versichert deshalb: "Es wäre schon eine große Erleichterung. Wir könnten vielen, insbesondere den Kinderreichen, helfen." Im übrigen aber geht er zuversichtlich in die Etat-Beratungen, denn er glaubt, dass es diesmal nicht bei der Debatte bleiben, sondern zum Schwur kommen wird. Zum Schwur übrigens, der Nürnberg gut zu Gesicht stünde.

Denn wohl der Stadt, die solche bedürftige Menschen nicht vergisst, auch nicht in einer Zeit, in der die Finanzlage schlecht ist und die Stadträte darum raufen müssen, welchen Vorhaben man das Prädikat "besonders dringlich" verleihen kann.

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