27. März 1968: Sprechchöre vor US-Hotel

NN

27.3.2018, 07:00 Uhr
27. März 1968: Sprechchöre vor US-Hotel

© NN

Nach etwa zehn Minuten wurde die Menge dreimal über Polizeilautsprecher darauf aufmerksam gemacht, daß diese Kundgebung nicht genehmigt ist und aufgefordert, die Straße zu räumen. Als nicht alle Demonstranten diesem Ersuchen nachkamen, mußte die Polizei die Menge zurückdrängen. Einige Demonstranten wurden festgenommen.

Bis zur Ecke Gleißbühl-Marienstraße war der Zug, der sich an ein Gastspiel einer „Ostermarsch-Revue“ in der Messehalle anschloß, ruhig verlaufen. Im Schein von Fackeln hatte er unter Polizeischutz den angekündigten Weg eingehalten. An der Gleißbühlstraße hatte Polizei vorsorglich den Zugang zum Amerikahaus, das ursprünglich Ziel des Marsches sein sollte, gesperrt. In Sprechchören äußerten die Marschierer ihren Unmut über diese Maßnahme. Über den Omnibusbahnhof zogen sie dann zum US-Hotel, wo es zu den Zwischenfällen kam.

Bürgermeister Haas und Polizeipräsident Dr. Herold leiteten den Einsatz der Polizei, die erst nach wiederholter Warnung einschritt. Die 200 Beamten waren bemüht, die Ordnung ohne harte Mittel wiederherzustellen, obwohl sie mit Ausdrücken wie „Notstandslümmel“ und anderen bedacht worden waren.

Pax- und Ostermarsch-68-Plaketten, Theodorakis-Platten und Abrüstungstintenkulis, Kunsthandwerk und Kognak, Aquarelle und Abfallkörbe, gestiftet von Freunden der „Kampagne für Abrüstung“, das alles wurde bei der vorangegangenen Revue im kleinen Saal der Messehalle feilgeboten. Drinnen lief dann ein Programm ab, das bekannte bundesrepublikanische und weltweite Mißstände aufs Korn nahm – in Wort und Ton, Lyrik und Prosa, auf deutsch, amerikanisch und spanisch.

Vom Heimweh des GI in Vietnam klagte Perry Friedmann aus USA, vom unterdrücktem Campesino Juan aus Spanien, die rote Fahne der Revolution beschwor Käthe Reichel aus Ostberlin, von sozialen Unstimmigkeiten sang Wolf Brannasky aus Nürnberg und sagte Erasmus Schöfer aus München, zum Kampf gegen den Notstand rief Volker Braun aus der „DDR“, politisches Kabarett bot Hannes Stütz aus München. Man applaudierte ruhig und gemessen, wurde fast ein wenig wehmütig gestimmt, als man „Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg“ die Hände reichen sollte und Arbeiter Joes 52 Jahre alten Lieder erklangen.

Schöfers Philippika auf alle „Gegner des Friedens unter Fräcken, Talaren und Uniformen“, auf die Kurrasse unter uns und in den USA beschloß die bunte Revue, nach der Fackeln verkauft wurden, fünfzig Pfennig per Stück, für den „friedlichen“ Marsch stadteinwärts. Fazit: die leisen Töne waren eindringlicher als die lauten, die der Käthe Reichel nämlich. Sie aber stammten von einem Kenner der Materie und Dichter dazu: von Bert Brecht.

Keine Kommentare