27. November 1967: Unter den Clubfahnen auf Achse

R. P.

27.11.2017, 07:00 Uhr
27. November 1967: Unter den Clubfahnen auf Achse

© Pilous

Der Mond steht noch am Himmel und die Sterne funkeln, als sich die treue Anhängerschar mit Fahnen wie Bettüchern und allerlei Instrumenten für Lärm und Radau schlaftrunken am Hauptbahnhof versammelt. Viele haben das Bier gleich kastenweise mitgebracht, denn der Nachschub rollt erst in Würzburg an, die Diskussionen aber machen durstig.

Das neue Clublied "1. FCN, hipp, hipp – hipp, hipp, hurra, wir sind heut´ alle da" schallt aus den Lautsprechern, als die wilde Jagd in Richtung Norden in Sachen Fußball beginnt. In Fürth gibt es das erste Hallo: "Gell, etzatla hobter endli eigsegn, wer den best´n Foußball spielt", werden sieben Neuzugänge aus der Nachbarstadt begrüßt. Die abtrünnigen Kleeblättler stimmen in den Chor ein: "Eins, zwei, drei, vier, deutscher Meister werden wir ..."

27. November 1967: Unter den Clubfahnen auf Achse

© Pilous

Gedämpfter Optimismus herrscht in den fahrenden Fachkreisen ("A Unentschied´n langt uns doch"), aber der Flachs blüht zusehends, je leerer die Bierdosen werden und je weiter der Schnelltriebwagen gen Niedersachsen vorstößt. "Allmächt, schaut´ naus. Dou schwimma die lahma Ent´n vo Hannover" – das liebe Federvieh, das friedlich auf einem Weiher seine Kreise zieht, wird zum Gespött der Clubfans.

Auf dem Hauptbahnhof von Hannover haben die reisenden aus dem Club-Expreß erst einmal Grund zur Schadenfreude. Andere FCN-Anhänger, die schon in der Nacht losgefahren waren, berichten von einem schlimmen Mißgeschick. Sie waren mitten unter die Schlachtenbummler von 1860 München geraten, die für ihre "Löwen" nach Hamburg rollten.

Im hochnoblen Hotel am Maschsee vor den Toren des Niedersachsen-Stadions vergeht dem Fähnlein der Fanatiker das Lachen. Eine ganze Front von schwarzbefrackten Obern verwehrt den Nürnbergern, die mit indignierten Blicken gemustert werden, den Zugang zu neuen Bierquellen. Erbost kontern die Clubfreunde: "Dou hätt´ ma suwisu nix geß´n. Döi Preißn! Es billichste Menie kost´dou glei sechsmarkfuchzig."

Der nächste Dämpfer folgt im Stadion selbst, in dem die Franken gegen eine Übermacht von 55.000 Hannoveranern anzukämpfen haben. Der Club liegt zuerst 0:1 im Rückstand. "Jetzt könnt ihr Knödelesser aus Franken samt eurem Merkel einpacken", freuen sich die Anhänger von 96 allzu früh. Den Cluberern verschlägt´s zunächst die Sprache.

Aber allmählich setzen sie sich zur Wehr. "Eich werma´s scho geb´n. Wartet nur, wenn ihr aff Närnberch kummt." Starek erlöst den Anhang mit seinem Tor zum 1:1. "Na, ihr Preißn, etz seid er leis´. Wir homs ja g´wußt, daß der Gustl besser ist wöi der Müllers Hanne", triumphieren die Fernfahrer für den Fußball und stimmen freudetrunken Schlachtgesänge an: "Wir brauchen keinen Beckenbauer, wir haben einen We-We-Wenauer“. Und als der "Nandl" gefoult wird, schallt es aus der kleinen Anhängerkolonie: "Neun, zehn, elf, zwölf – Hannover hat ´ne Bauernelf".

Obwohl der Club einen Punkt in Hannover lassen muß, ziehen die Schlachtenbummler wie die Sieger zum Bahnhof. Den abendlichen Passanten klingt es schon von weitem entgegen. "Hannover hat vom Fußball keine Ahnung", nach der Melodie "Wir verkaufen unserer Oma ihr klein´ Häuschen." Auf der Rückfahrt über 430 Kilometer geht es knapp fünf Stunden lang noch einmal rund. Das Bier fließt wieder in Strömen, für Stimmung sorgt Schlagermusik, mit der Reiseleiter Alfons Klich die Clubfreunde unaufhörlich berieselt. (Klich hatte sich schon zu Beginn die Sympathien erworben, als er verkündete: "Hoffen wir, daß wir zwei Punkte mit nach Hause nehmen!")

Nach 21 langen Stunden auf Achse ist die Reisegesellschaft wieder in Nürnberg. Nur wenige Krieger sind müde geworden. Fahnenschwenkend ziehen die Schlachtenbummler aus dem Hauptbahnhof und in die Heimat ein; einige freilich müssen noch nach Auerbach, Wilhelmsdorf usw. fahren. Trompeten hacken im Stakkato: "Eff-Ce-Enn", und lautstark wird nochmals verkündet: "Hi, ha, hupp – Meister wird der Club!"

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