29. Juni 1967: Kummer mit dem rechten Bein

W. G.

29.6.2017, 07:27 Uhr
29. Juni 1967: Kummer mit dem rechten Bein

© Ulrich

Dabei hatte es fulminant begonnen. Unter den Klängen des Fanfarencorps des Narrenclubs war der Stadtrat eingelaufen - na, sagen wir: einmarschiert. Das Aufbauen der Verkehrsschilder (Umleitung) vor dem Tor ließ auf Übung schließen. Eine "Grüne Minna" mit Martinshorn und Blaulicht hatte die Männer von der Presse gebracht, von denen sich einige in Turnkleidung aus der Zeit von Vater Jahn geworfen hatten, während die anderen hochmütig in den Farben von Borussia Dortmund erschienen.

Die Presse hat die Siegestrophäe, einen überdimensionalen linken Fußballstiefel, bereits zweimal gewonnen. Weil die Aussichten auf einen dritten Sieg nicht gering waren, spendierten die Zeitungsleute vor dem Spiel den Stadträten quasi als vordatierten Trostpreis einen anderen Fußballschuh, versehen mit einer Plakette, auf der geschrieben steht: "Dem fairen Gegner".

Aber tückisch ist das Schicksal. Das mußte bereits Oberbürgermeister Dr. Urschlechter erfahren, als er das Match anstieß. Der Ball war präpariert und verspritzte ein gutes Pfund Mehl. Das Mehl verwandelte sich sofort in Wasser, das die Auswahlmannschaft des Stadtrats auf ihre Mühle goß (diese Formulierung ist einem früher erschienenen Fußballbericht unseres Sportredakteurs Nm. Entnommen). Die städtischen Herren schnürten die Männer von der Presse ein. Der Hexenkessel im Nürnberger Stadion tobte.

29. Juni 1967: Kummer mit dem rechten Bein

© Ulrich

Viele Schlachtenbummler waren gekommen, um das runde Leder auf dem saftig-grünen Rasen flitzen zu sehen. Fabelhaftes Stellungsspiel. Sagenhafte Kondition. Rasante Flankenläufe. (Falls Ihnen irgendwelche Ausdrücke bekannt vorkommen, gehören Sie zu den Lesern des Sportteils.) Kurz und unauffällig sind die Haltegriffe, um die Sturmtanks zu Fall zu bringen. Stadtrat Prölß trägt Angriff auf Angriff vor, Presse-Schatz steht wie ein Fels in der Brandung, steht und steht und steht...

Man kocht auf Sparflamme. Noch tarnt Sartorius (NN) sein Talent. Das Pressespiel gleicht dem Spiel des Clubs zu jener Zeit, da man den Ball ins Tor tragen wollte. Der krönende Abschluß fehlt. Ludwig (NN) läuft fabelhaft in die Gasse; leider ist der Ball niemals drin. Aber es sind hervorragende Läufe in die Gasse an sich. Unvergeßlich. Engelhardt (NN) wirkt wie ein ausgekochter Profi; er trifft fast immer den Ball. Sartorius tarnt noch immer sein Talent. Schubert (NN), ansonsten Chefredakteur dieser Zeitung, jetzt rechter Verteidiger und Mannschaftsführer, spielt unwahrscheinlich unauffällig, kaum zu sehen.

Schäfer (NZ), Torwart mit Ideen und rundlich, begibt sich auf einen Ausflug zum Spielfeldrand, denn dort gibt es ein Faß Bier, von der Brau-AG gestiftet. Einen Elfmeter hat er schon gehalten. Was soll passieren? Aber dann ist es Schuster (SPD), der zum ersten Treffer einlenkt. Die "Nachrichten" haben für den Schützen des ersten Tores ein Faß Bier ausgeworfen. Es wird angezapft. Luftballons steigen und künden vom Triumph Nürnberger Stadträte.

Das Flutlicht flammt für die zweite Halbzeit auf. Jens (Sport-Magazin) hat eine dicke Chance, aber kein rechtes Bein. Wenn man es recht betrachtet, hat eigentlich keiner ein rechtes Bein. Für Leute, die kein rechtes Bein haben, laufen sie aber doch recht flott. Sartorius hat sich so in die Tarnung seines Talents verbissen, daß er sie überhaupt nicht mehr aufgibt. Und mittendrin in kaltblütige Presse-Kombinationen knallt das 2:0, ein Bilderbuchtor. Die Männer von den Zeitungen raufen sich die Brust und zerreißen sich die Haare. Die Stadträte kombinieren wie die Alten. Etwas ganz ungewöhnliches geschieht: ein Stadtrat hält den Kopf hin. Wann hat‘s das schon gegeben?

Neues Spielsystem erfunden

Die Presse bläst zum Endspurt. Er kommt. Die Stadträte schießen das 3:0. Ein Ausflug von Torwart Schäfer nach Radi-Art bringt keinen Treffer ein, aber endlich fällt das 3:1 durch einen unhaltbaren Schuß ins linke obere Lattenkreuz. Ein Alleingang von Stanjek (Rundfunk) bringt das 3:2. Und dann pfeifft Morlock ab: Nürnbergs Stadträte haben gesiegt.

Das Spiel der Presse - nehmt alles nur in allem - war einem Fußballspiel nicht unähnlich. Immerhin scheint ein neues Spielsystem erfunden worden zu sein, das vielleicht Trainer Herrera gefallen würde: man spielte 5-5-0, und man hätte ein Unentschieden in der Tasche gehabt, hätte der Gegner keine Tore geschossen. Dieser kleine Schönheitsfehler ist um so mehr zu verschmerzen, da der Reinerlös des Spiels alten Menschen in Heimen zugute kommt.

Herbert Lehner vom Bayerischen Rundfunk, Conférencier während der männermordenden Begegnung, sagte: "Die Intelligenz hat noch nie gut Fußballspielen können." Ein Trostpflaster für den Verlierer: denn immerhin hat der Stadtrat gut gespielt.

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