4. Juni 1968: Festtage unterm Regenschirm
4.6.2018, 07:00 UhrDrei Tage lang war es daher in der Stadt so ruhig wie selten. Polizei und Sanitäter berichten von "nur" 26 Unfällen in 72 Stunden, weniger als an einem normalen Wochenende.
Nichts ist ungewöhnlich gewesen an diesem Pfingsten, wenn es nach Ansicht der offiziellen Stellen geht. Auf den Straßen floß der Verkehr in geordneten Bahnen, die erwartete Gästeschar fand sich im Tiergarten und auf dem Flughafen ein und auch am Wetter wollten die professionellen Beobachter nichts Besonderes entdecken. Trotzdem viele, viele Nürnberger haben sich die Festtage anders vorgestellt.
Mit ihren nordbayerischen Nachbarn zusammen mußten sie jedoch darunter leiden, daß ausgerechnet in diesem Landstrich ein unangenehmer Wind aus dem Osten wehte. Statt des erwarteten Hochdrucks kam feuchte Luft, die sich in Gewittern und Regen niederschlug. Gar manchen Frischlufthungrigen war damit schon die Lust zu einem Ausflug in die nähere und weitere Umgebung verdorben, zumal sich auch der Sonntag ziemlich naß anließ.
Die Besitzer von Gartenlokalen, die sich für den erwarteten Besuchersturm eingerichtet hatten, wurden ebenso enttäuscht wie die Schausteller auf den verschiedenen Kirchweihplätzen. An den traditionellen Zielen der Spaziergänger, am Dutzendteich und im Luitpoldhain, im Stadtpark und im Reichswald, herrschte ebenso gähnende Leere wie in der Innenstadt selbst, die nur in den Abendstunden mit ihren Kinos und Theatern, Gaststätten und Bars einen Anziehungspunkt bildete. Angesichts des nassen Segens von oben scheint den Nürnbergern aber sogar die Lust zum Trinken vergangen zu sein: an den vergangenen drei Tagen mußte die Polizei nur einen Autofahrer zur Blutprobe bringen.
Erst gestern erwachte die Stadt aus ihrem Feiertagsschlaf, erst gestern zeigte sie mit Hilfe der Sonne den Fremden ihre Schokoladenseite. Der Himmel klärte sich auf – die lange vermißten Gäste schienen wie auf ein Zeichen hin die neuen und alten Sehenswürdigkeiten zu beleben.
19.550 von 28.660 Besuchern der Pfingsttage kamen am Montag in den Tiergarten und verstopften mit ihren Wagen die Straßen rund um den Schmausenbuck. Sie milderten die "kleine Katastrophe", von der Zoodirektor Dr. Seitz angesichts des unwirschen Maiwetters sprechen muß. Den guten Besuch am letzten Feiertag wertet auch er als ein Zeichen dafür, daß viele Leute nicht mehr weggefahren sind, als der große Regen kam. Er hofft zuversichtlich, das Gäste-Minus in seiner Mai-Bilanz bald wettmachen zu können, wenn die Sonne mitspielt. 7.000 Besucher mehr als am gleichen Samstag und Montag im vorigen Jahr scheinen ihm und seinen Erwartungen recht zu geben.
Viele Nürnberger aber zog es auch hinaus in die nahe Ferne. Am Montag stellte sich auf den Ausfallstraßen in die Fränkische Schweiz und das Schwarzachtal, in den Rangau und in den Regnitzgrund der obligate Wochenendverkehr ein. Und am Abend füllten sich die Autobahnen mit Kolonnen in Zweierreihen, jedoch nicht so sehr, daß ihr Verkehr in die Stadt umgeleitet werden mußte. Dies war vor allem ein Verdienst der Bauarbeiter, die rechtzeitig noch gesperrte Fahrbahnen fertiggestellt hatten, so daß rund um Nürnberg die Reisewelle ungehindert rollen konnte.
Den ungewöhnlichsten Geschäften ging noch die Feuerwehr nach, die zehnmal aus ihrer Festtagsruhe aufgescheucht wurde. Die Männer mußten sieben Bienenschwärme einfangen, 1.200 Zentner Briketts in einer Kohlenhandlung an der Ostendstraße löschen und die Flammen aus einer Neonbeleuchtung in einem Möbelhaus im Stadtzentrum niederhalten. Sogar vom Katzenjammer blieb die Feuerwehr nicht verschont: in der Landsweilerstraße beim Südfriedhof hockte eine Katze auf dem Baum und wartete darauf, über eine Leiter auf festen Boden gebracht zu werden.
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