5. November 1967: Besuch bei der U-Bahn
5.11.2017, 09:18 UhrIm geräumigen Wageninneren bekamen die Nürnberger Gäste einen ersten Eindruck davon, wie sich in naher Zukunft der Massenverkehr auf der Schiene abspielen wird. Ohne großes Gedränge gelangt der Bürger schnell zu nahen Zielen, denn der Zug erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern.
Neben der Bekanntschaft mit dem „rollenden Material“ gab es auch eine Lehrstunde im Fach „Sparsamkeit beim Bahnhof-Bau“. Die Münchner verkleiden die nackten Betonwände einfach mit gehärteten Eternitplatten. Es ist noch gar nicht so lange her, da war in Nürnberg noch Mosaik-Zier im Gespräch und – abgelehnt worden.
Schon zeitig am Freitag war die Delegation von der Pegnitz – außer Dr. Urschlechter und Franz Haas gehörten ihr die Referenten Heinz Schmeißner, Dr. Max Thoma und Dr. Richard Sauber sowie die Stadtväter vom Bau- und Verkehrsausschuß an – per Bahn gen München aufgebrochen. 2 Stunden später wurden sie von Oberbürgermeister Dr. Jochen Vogel und U-Bahn-Referent Dr. Klaus Zimnick im kleinen Sitzungssaal des neugotischen Rathauses willkommen geheißen. Beide machten ihre Gäste mit dem Bau der V-Bahn durch die Bundesbahn (Baukosten für den Abschnitt zwischen Hauptbahnhof und Ostbahnhof rund 490 Millionen DM) und mit dem Bau der U-Bahn durch die Landeshauptstadt (die Nord-Süd-Linie 6 von Freimann bis zum Goetheplatz steht einschließlich eines Betriebsbahnhofes mit 727 Millionen DM zu Buch) vertraut, zwei gewaltige Vorhaben, von denen die Stadtväter schon im Februar dieses Jahres viel gesehen hatten.
Für die Nürnberger waren deshalb auch die Berichte über die Finanzierung beider Schienenverkehrsmittel – die Münchner U-Bahn wird obendrein durch einen Olympiaast von der Münchner Freiheit zum Oberwiesenfeld ergänzt – nicht neu. Interessiert hörten sie sich die Methoden an, nach denen an der Isar die Kosten für die zwangsläufigen Vorleistungen beim U-Bahn-Bau – das Verlegen der Kanalisation und Kabel oder Änderungen an den Straßen – aufgeschlüsselt werden. Und sie nahmen zur Kenntnis, daß die Betriebseinrichtungen von der Stadt bezahlt werden, während die Städtischen Werke nur den Wagenpark anschaffen. Aber der ist schon teuer genug: 2,9 Millionen DM kostet der aus sechs Wagen bestehende Zug, der 870 Fahrgäste befördern kann.
Aber nicht nur der Bau des Massenverkehrsmittels stand auf dem Programm der Rundfahrt. Überrascht waren die Nürnberger auch vom dreistöckigen Verkehrsknoten „Kreuzhof“ bei Fürstenried, der „nur“ 15 Millionen DM gekostet hat, obwohl 22 Millionen DM dafür veranschlagt waren. Man sieht, das gibt es auch in der Landeshauptstadt München neben Debatten über die Mehrkosten für den Stachusumbau, der selbstverständlich besichtigt wurde.
Die Abordnung von der Pegnitz bummelte im Einkaufszentrum von Fürstenried und durchmaß im D-Zug-Tempo die neue, 13 Millionen DM teure Feuerwache Süd, die das Ausbildungszentrum für die Münchner Feuerwehr bildet und in der die zentrale Schlauchwerkstätte untergebracht ist. Man sah es dem Sozialreferenten Dr. Max Thoma beim Rundgang an: er überschlug die Kosten und dachte an das zweite Krankenhaus für Nürnberg.
Nur einmal wurde gestern Kritik unter den Nürnbergern laut. Baureferent Heinz Schmeißner hielt mit seinem Lokalpatriotismus nicht hinter dem Berg und erklärte angesichts des weiß-blauen U-Bahn-Wagens: „Unserer wird weiß-rot gestrichen!“
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