6. März 1968: Krimis zur Entspannung

6.3.2018, 07:00 Uhr
6. März 1968: Krimis zur Entspannung

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Auf die Gretchenfrage, für was er sich bei der Wahl zwischen dem Amt des OB in Nürnberg und einem Posten in Bonn entscheiden würde, kam die prompte und bestimmte Versicherung: "Ich gehe nie nach Bonn!"

Zehn Jahre lang schätzen die Bürger ihren Oberbürgermeister als Vorsitzenden des Stadtrats, als Chef der Verwaltung, als Festredner und Gast bei Empfängen und Feiern, weil er nirgends zu übersehen ist. Bei der siebten Veranstaltung der Reihe "Zu Gast bei ..." aber lernten ihn die Nürnberger als gewandten und sachlichen Gastgeber im Gespräch kennen, der weder dem Diskussionsleiter, noch seinen Gästen ein Bonmot geschweige denn eine Antwort schuldig blieb.

Auch den heikelsten Fragen, ob zum abgeblasenen NPD-Parteitag, zur Taubenplage, zu den Schulden der Stadt oder kostspieligen Baumaßnahmen, wich er nicht aus, ja brachte sogar Zahlen mit, so daß es schien, als wisse er ohnehin, was seinen Bürgern am Herzen liegt. Nur bei der ersten obligaten Frage mußte er passen:

Frage: "Wie wird man Oberbürgermeister? Wie muß man sich aufbauen?"

Dr. Urschlechter: "Das kann ich nicht beantworten. Ich stand plötzlich vor der Frage, ob ich kandidieren soll. Ich wurde also nicht aufgebaut, wie es heute vielerorts üblich ist. Ich habe 14 Tage vor der Wahl die Kandidatur angenommen und wurde dann von der Mehrheit der Bürger gewählt."

Frage: "Läßt sich die Vielzahl Ihrer Ämter vereinbaren, ohne daß eines davon zu kurz kommt?"

Dr. Urschlechter: "Das ist einfach zu beantworten. Ich habe nur solche Ämter inne, die eng mit der Kommunalpolitik zusammenhängen. Auch im Aufsichtsrat großer Gesellschaften muß ich oft typisch kommunale Interessen vertreten."

Frage: "Sie haben vor einiger Zeit mit mehreren Stadträten einen Studienreise nach Amerika unternommen und angeblich wertvolle Erfahrungen gemacht. Ich habe bisher nur Gebührenerhöhungen festgestellt. Wie verhält es sich damit?"

Dr. Urschlechter: "Wir haben in Amerika ein modernes U-Bahn-System studiert und es auch in zwei Städten gefunden. Zur gleichen Zeit trafen wir dort den Münchner Stadtrat, und beide Städte entschlossen sich zu dem gleichen U-Bahn-Typ. Ein Erfahrungsbericht liegt bereits vor und soll veröffentlicht werden. Die Reisekosten betrugen knapp 200 000 Mark. Sie waren aber keineswegs Ursache für Tariferhöhungen."

"Taubenkrieg" mit neuen Waffen

Frage: "Halten Sie die Pro-Kopf-Verschuldung der Stadt Nürnberg für bedenklich?"

Dr. Urschlechter: "Wenn Bund und Land nicht weiter in unsere kommunalen Finanzen eingreifen, können Zins und Tilgung bezahlt werden und es besteht trotz einer Pro-Kopf-Verschuldung von 874 Mark kein Grund zur Beunruhigung. Gegenwärtig liegen wir an siebter bis 13. Stelle aller Städte im Bundesgebiet, was unsere Schulden betrifft, sind also keineswegs Tabellenführer."

Frage: "Werden die Kosten für den abgesagten NPD-Parteitag in Nürnberg von den Steuerzahlern beglichen oder ist die Stadt gegen Vertragsbruch versichert?"

Dr. Urschlechter: "Die Stadt wird die vom Gericht auferlegten 15 000 Mark bezahlen, ob aus Steuergeldern oder Gewinnen ihrer rentablen Gesellschaften ist gleichgültig. Diese Kosten sind die reinste Schadensdeckung für die Partei. Gegen das Urteil auf Schadenersatz für NPD-Mitglieder hat die Stadt Berufung eingelegt. Der Vertrag wurde gelöst, weil durch Pressenachrichten ein Sturm der Entrüstung über den Parteitag in Nürnberg durch die Bevölkerung gegangen war."

Frage: "Stimmt es, daß die Stadt nicht bereit ist ein Grundstück für ein Tierheim bereitzustellen?"

Dr. Urschlechter: "Wir haben an mehreren Stellen versucht einen Platz dafür auszuweisen und sind jedesmal auf Proteste gestoßen. Nirgends scheint das Heim erwünscht zu sein. Ich bin aber dafür, daß es jetzt endgültig bei Kraftshof errichtet werden soll, weil eine solche Einrichtung einfach zum Anstand einer Stadt gehört."

Frage: "Was sagt die Stadt Nürnberg zur Taubenplage?"

Dr. Urschlechter: "Ich wurde in Bürgerversammlungen schon Taubenmörder genannt. Trotzdem haben wir alles mögliche versucht, damit sich die Tiere nicht weiter vermehren. Jetzt ist es uns möglich, das Füttern zu verbieten und ich bitte Sie, uns nicht zu verdammen, wenn wir Ordnungsstrafen auferlegen, wenn gegen die Bestimmung verstoßen wird."

Frage: "Ist es nicht recht schwierig, immer das zu bauen, was am Dringendsten gebraucht wird? Zum Beispiel Meistersingerhalle und Krankenhaus?"

Dr. Urschlechter: "Wir können nur immer wieder prüfen was wichtiger ist. Dabei entsteht oft ein Tauziehen um die Priorität. Das läßt sich nicht vermeiden. Wichtig ist die Bauweise. Es erhebt sich immer wieder die Frage, ob man nur für die Gegenwart, oder auch für die Zukunft mitbauen soll. Wir vertreten die Auffassung, daß man alle aufwendigen Dinge weglassen sollte, aber trotzdem so modern bauen muß, daß ein Gebäude auch den Anforderungen in der Zukunft gerecht wird. Das gilt vor allen Dingen für die Krankenhäuser."

Den Privatmann und Bürger Dr. Andreas Urschlechter lernten die Gäste aus seinen Steckenpferden kennen. Schallplatten und Tonbändern mit klassischer aber auch mit Beat- und Tanzmusik gehört seine Liebe in der Freizeit. Nach seinen Lieblingsschriftstellern befragt, hielt er es wie Konrad Adenauer, der ihm einmal dazu geraten hatte: mit Kriminalautoren! Bevorzugt sind dabei Edgar Allen Poe und Agatha Christie. Der Altbundeskanzler hatte sie ihm als Bettlektüre vor einem gesunden Schlaf empfohlen.

Nach der Devise "Humor ist, wenn man trotzdem lacht" nahm der OB zum Abschluß von Redakteur Walter Schatz seine Karikatur entgegen und bewies damit seine eigenen Worte, mit denen er zuvor festgestellt hatte, daß auch einem Oberbürgermeister Kritik in der Presse und von seinen Bürgern sehr nützlich sein könne.

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