7. November 1967: Elektronik als Falle
7.11.2017, 07:00 Uhr„Wir haben jeden Tag einen Bundesfahndungstag“, erklärte er aber gestern. „Deshalb wollten wir mit der vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden gesteuerten Aktion die Wirksamkeit unserer elektronischen Datenverarbeitung überprüfen.“ Dieser Test erfüllte nicht nur alle Erwartungen, sondern er führte „nebenbei“ auch zur Festnahme von zwölf Personen.
Das magere Ergebnis hat seine Ursache in der zielbewußten Arbeit, die von den über 1200 Beamten und Angestellten bereits im Hinblick auf das Computer-Zeitalter bei der Polizei vollbracht worden ist. Ihre wirksamsten Waffen sind dabei eine Zentralkartei mit bisher 46 000 hausinternen Vorgängen und eine Personen-Fahndungskartei mit sämtlichen 95 000 Eintragungen des Bundesfahndungsbuches sowie 5000 Sonderkarten über Alkoholdelikte, Vermißte und Dirnenunwesen. Diese beiden“Filter“ haben die monatlichen Festnahmen in Nürnberg von 130 auf fast 200 in die Höhe schnellen lassen. „Das ist einmalig im Bundesgebiet“, sagt Dr. Herold.
Sinn des Bundesfahndungstages war es, ein vom Bundeskriminalamt hergestelltes Magnetband, auf dem sämtliche Eintragungen des Fahndungsbuches enthalten sind, mit den ebenfalls aufgezeichneten 480 655 Personendaten aus dem städtischen Einwohnermeldebuch zu vergleichen. Die Unterlagen aus Nürnberg waren vom Leiter des städtischen Rechenzentrums, Verwaltungsrat Ernst Förster, und von Oberamtmann Karl-Heinz Kratz maschinell gespeichert worden.
Wozu 500 Beamte drei Wochen lang benötigt hätten, brachte der elektronische Vergleich in der Siemens-Rechenanlage schon nach acht Minuten fertig: der Computer „spuckte“ 1046 übereinstimmende Personendaten aus. Beim manuellen Feinvergleich kristallisierten sich 251 verdächtige Männer und Frauen heraus, von denen schließlich 64 im Fahndungsbuch standen. Die nächsten Schritte der Polizei folgten Schlag auf Schlag. 80 Kriminalbeamte brausten in 19 Fahrzeugen los. Sie konnten zwölf Personen festnehmen, die wegen Betrugs, Diebstahls oder Verletzung der Unterhaltspflicht auf der „schwarzen Liste“ standen. „Mit fünf weiteren Verhaftungen rechnen wir“, hofft Dr. Herold. In 47 Fällen hatten sich die Gesuchten zuvor abgesetzt.
Bei der Verbrechensbekämpfung mit Elektronengehirnen hat der Polizeipräsident bedeutsame Erkenntnisse gewonnen. „Wir müssen den Zeitverlust zwischen der Mitteilung der Staatsanwaltschaft und dem Beginn der Fahndung vermindern“, forderte Dr. Herold, dem im übrigen eine Computer-Zentrale für das gesamte Bundesgebiet und eine kommunale Informationszentrale mit allen möglichen Daten vorschwebt. Der Polizeipräsident hat klare Vorstellungen von den nächsten Schritten, die auf dieses Ziel hin unternommen werden sollen.
„Wir müssen in jeder Stunde wissen, wo die Verbrechens-Schwerpunkte liegen“, meint er „und unserer Arbeit ein Höchstmaß an Flexibilität verleihen“. Im Augenblick ist die Kriminalitätsbelastung in der Innenstadt 40mal so groß wie in den Randgebieten. Gegenwärtig sind die Experten im Präsidium schon dabei, die Personenbeschreibung und die Art und Weise des Vorgehens von unbekannten und bekannten Tätern elektronisch zu erfassen. Das Daktyloskopie-Programm ist bereits abgeschlossen. Im Herbst 1968, wenn die Stadt einen neuen Rechner anschafft, soll der Computer mit 200 000 Fingerabdruck-Blättern gefüttert werden. Einzig in Europa ist eine von Kriminalamtmann Georg Kern entwickelte maschinengerechte Formel für jeden Fingerabdruck.
„Während wir früher am Tatort die Abdrücke von allen zehn Fingern benötigten, um einen Verbrecher zu identifizieren, brauchen wir künftig nur noch eine Spur“, erläutert der Präsident, der mit der elektronischen Datenverarbeitung auch in ein unbekanntes Gebiet vordringen möchte: eine rationelle Einsicht in das Wesen des Verbrechens zu gewinnen. „Erst dann“, so folgert Dr. Herold, „können wir die Kriminalität fest in den Griff bekommen“.
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