9. Juni 1967: Sprengung geht schief
9.6.2017, 07:00 UhrDas erste Stück der heftig umstrittenen Sprengung war nur zum Teil gelungen. Als sich die Qualm- und Staubwolke etwas verzogen hatte, wurde auch deutlich, daß die Rechnung der Experten nicht aufgegangen war.
Die Masse der Trümmer war nicht hinter die Tribüne gefallen, sondern lag meterhoch auf der Empore. Auch die Stufen der Tribüne waren mit Quaderteilen und Steinbrocken übersät. Zentnerschwere Säulenstücke waren bis an den Rand der Beuthener Straße geschleudert worden.
Einige hundert Nürnberger warteten in einem Sicherheitsabstand von 200 Metern am Bahnhof Dutzendteich auf den Augenblick der Sprengung. Nachdem die Säulen gefallen waren, begannen viele Männer laut zu schimpfen. Sie nahmen kein Blatt vor dem Mund, als sie ihrem Ärger Luft machten. Andere schüttelten nur den Kopf und machten kehrt.
Wie mehrfach berichtet, hat ein Teil der Nürnberger Bevölkerung Protest gegen die Sprengung erhoben und der Stadt vorgeworfen, sie handle gegen den Willen der Bürgerschaft. Die Stadtverwaltung hat demgegenüber betont, daß Sicherheitsgründe maßgebend für die Sprengung waren.
In etwa 14tägiger Vorarbeit hatten zehn Mann eines Abbruchunternehmens die Sprengung sorgfältig vorbereitet. In jede der 36 vorderen Säulen der westlichen Galerie wurden fünf etwa 70 cm tiefe und 40 Millimeter starke Löcher gebohrt, die mit Ammon-Gelit 3 gefüllt wurden. Für die hintere Reihe reichten nach den Berechnungen je drei Sprenglöcher mit demselben Sprengstoff aus. Insgesamt wurden rund 75 Kilo Ammon-Gelit 3 in die Säulen der Westgalerie gestopft. Die Ostgalerie, die heute abend fallen soll, ist übrigens ebenso präpariert worden.
Damit die Stahlbetondecken über den Galerien den Fall nicht hemmen konnten, zerschnitt man sie in ihrer gesamtem Länge mit Preßlufthämmern. So vorbereitet, glaubte Sprengmeister Horst Götzinger gestern, eine Stunde vor dem vorgesehenen Termin, daß eigentlich nichts schiefgehen dürfte. Er hoffte, das der Großteil des Säulenvolumens von rund 2.000 cbm hinter die Tribüne fallen würde.
Allerdings konnte er nicht voraussagen, ob der Regen Schwierigkeiten bereiten würde. Immerhin waren pro Galerie rund 100 Meter Zündkabel verlegt, die nicht feucht werden durften.
Um 15.43 Uhr ertönte das Warnsignal, Sprengmeister Götzinger drehte an seiner Zündmaschine und erfüllte mit einer Hebeldrehung den Beschluß des Stadtrats. Die 16 ersten Säulen hinter der Westwand beim Bahnhof Dutzendteich und eine unmittelbar an der Rednertribüne blieben stehen, die anderen fielen in sich zusammen.
Warum das Unternehmen nicht auf einen Schlag geklappt hatte, konnten sich die wortkarg gewordenen Verantwortlichen ebensowenig erklären wie die Tatsache, daß nur wenige Trümmer hinter der Tribüne gelandet waren. „Um 19 Uhr werden die restlichen Säulen des Westteils gesprengt“, hieß es nur.
Um 19.29 Uhr fielen beim zweiten Versuch die restlichen 16 Säulen der Westgalerie. Wieder stürzte viel Gestein auf die Stufen der Tribüne. Der Ostteil der Galerie soll, wie vorgesehen, heute zwischen 19.20 und 19.40 Uhr gesprengt werden.
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