Abrasiert: Ein "Efeu-Frevel" erhitzt die Nordstädter

26.7.2015, 08:00 Uhr
Abrasiert: Ein

© Mark Johnston

Seit 1998 nutzt   Bewegungspädagogin Dorothee Mecklenfeld das Obergeschoss des früheren Fabrikgebäudes für ihre Kurse. Lange habe sie  nach einem passenden Gebäude gesucht, erzählt sie, bis sie das komplett mit Efeu umwucherte Haus fand. Weil im dichten Blattwerk   Vögel brüteten, entsprach es perfekt ihrem Ansatz der „Integration von Natur, Tier und Mensch“.

Um diesen Rahmen zu erhalten, übernahm sie auch die Kosten für die jährlichen Pflegemaßnahmen im Spätherbst. Deshalb  war sie auch extrem entsetzt, als sie am Nachmittag des 14.Juli  kurz nach 16 Uhr den Hof betrat und die massiven Eingriffe sah. Durchgeführt wurden sie  nach Erkenntnissen des   Umweltamtes von der Hausverwaltung Innova.

Ein "illegaler Eingriff"?

Bei einem Gespräch mit der Unteren Naturschutzbehörde ist laut Umweltamtsleiter Klaus Köppel auf den illegalen „Eingriff“ hingewiesen worden. Nach Paragraf 39 des Naturschutzgesetztes gehört eine Efeu-Wand in dieser Größe zu den Gehölzen, die zwischen 1. März und   30. September während der Vogelbrutzeit nicht gestutzt werden darf. Es sei denn, so Köppel, „es geht um die Pflege und dem Erhalt der Wandbegrünung im Zuge eines schonenden Pflegeschnitts“.

Davon kann im Fall Kaulbachstraße   nicht die Rede sein. Vier dicke Stämme sind teilweise von   unten und bis zur Fensterfront im ersten Stock in knapp vier Metern Höhe abgesägt worden. Wo vorher dichte, grüne Blätter waren, ist jetzt die kahle, bräunliche Fassade. Von einem „unglaublichen Efeu-Frevel“ spricht die Nachbarschaft, die um die „Oase“ im Nordstadt-Hinterhof trauert.

Offen ist, wer den Eingriff veranlasst hat

"Es war ein wunderschönes Willkommen", sagt Nocola Brachmann, die hier seit 15 Jahren   Kurse besucht und die besondere Atmosphäre vermisst. Nach einem ersten Schockzustand gehen die Mieter Dorothee Mecklenfeld und Jochen Rauser, der  Lagerräume nutzt, nun in die Offensive. Da im Treppenhaus und in ihren Räumen Efeublätter lagen, gehen sie davon aus, dass der Trupp der Hausverwaltung auch noch unerlaubt in ihre Räume eingedrungen ist und Hausfriedensbruch begangen hat. Geplant ist jedenfalls eine Anzeige gegen die Verursacher.

Offen ist bisher allerdings, wer den „erheblichen Eingriff“ (Köppel) explizit veranlasst hat. Weder Hausverwaltung noch die Hauseigentümerin waren für die Medien zu erreichen. Meckleinfeld kritisiert zudem die „mangelhafte Kommunikation“ und denkt darüber nach,   die Miete zu reduziert und sich nach neuen Räumen umzusehen. Schwierig ist laut Köppel die Ahndung des Verstoßes. Die Stadt müsse Vorsatz oder Fahrlässigkeit nachweisen, um eine Geldbuße zu verhängen, die im Ernstfall bei deutlich über 10 000 Euro liegen könnte. Da sich die Hausverwaltung auf „Unwissenheit“ berufen habe, könne die Stadt beim ersten Verstoß nur ein Ermahnungsschreiben verschicken.

Neben einer Entschuldigung sei zudem eine Neupflanzung zugesichert worden, so Köppel. Für ihn steht fest, dass das restliche Blattwerk, das bis Oktober bleiben muss, keine Überlebenschance hat und früher oder später verwelken werde. „Mir wurde gesagt, es wächst nach“, sagt Dorothee Mecklenfeld mit bitterem Unterton. Sie hat inzwischen festgestellt, dass das Vogelgezwitscher schon weitgehend verstummt ist. Sie hofft, dass die Verursacher doch  bestraft werden.

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