Adamstraße: Bewohner wehren sich gegen Mieterhöhung
16.2.2013, 06:58 UhrGottlob Braun nimmt den Brief des Wohnbauunternehmens noch einmal in die Hand — und wieder beginnen seine Hände zu zittern. „Das hier ist ein vornehmer Rauswurf“, empört sich der 47-Jährige. Das Schreiben, das er Mitte Januar in seinem Briefkasten vorfand, hat es in sich.
Darin kündigt der neue Eigentümer des Anwesens Adamstraße 15 „Modernisierungsmaßnahmen“ an, die ersten Bautrupps sollen Mitte März schon anrücken. Mit kostspieligen Folgen für die neun Parteien des Vorder- und des Hinterhauses, wollten sie hier weiterhin Mieter bleiben. Gottlob Braun etwa zahlt derzeit für seine 90-Quadratmeter-Wohnung 258,76 Euro pro Monat. Nach Abschluss der Bauarbeiten im Oktober soll seine Nettomiete auf 1305,53 Euro nach oben schnellen.
Nicht anders geht es seiner Mutter, Christa Braun. Die 71-Jährige lebt eine Etage unter der Wohnung des Filius — und das seit 38 Jahren. „Ich weiß gar nicht, wohin wir ab März gehen sollen. Und was passiert mit den Möbeln?“ Der Grund für ihre Verunsicherung findet sich im Schreiben an die Mieter: Das Dachgeschoss soll abgerissen und erneuert werden. Außerdem sollen Balkone an die Wohnungen gebaut und diese komplett entkernt werden. Am meisten regt sich Gottlob Braun aber über diesen Satz auf: „Kündigen Sie rechtzeitig, dann tritt die Mieterhöhung nicht ein.“
Bereits unterschrieben
Davon eingeschüchtert, so Braun, hätten andere Mieter sich bereits mit dem Auszug abgefunden und die beigefügte Einverständniserklärung unterschrieben. Mutter und Sohn bedauern, dass hier eine jahrzehntealte, „liebevolle“ Hausgemeinschaft mit einem Handstreich ausgelöscht werde.
Doch sie wollen sich das nicht gefallen lassen, suchten den Deutschen Mieterbund auf. „Wir vermuten, dass der Investor an einer Fortführung der Mietverhältnisse nicht im Geringsten interessiert ist“, sagt Mieterbund- Geschäftsführer Gunther Geiler. Der Eigentümer könne nicht ernsthaft davon ausgehen, dass die Bewohner in der Lage seien, die neue Miete nach den Baumaßnahmen tatsächlich zahlen zu können. Er signalisiere auch keinerlei Entgegenkommen.
„Mieter sind aber nicht in jedem Fall verpflichtet, Modernisierungsarbeiten zu dulden, wenn diese oder die wirtschaftlichen Folgen in Form einer drastischen Mieterhöhung eine unzumutbare Härte bedeuten würden“, versichert Geiler. Die Arbeiten könnten gegebenenfalls gerichtlich verhindert werden. Muss denn ein Mieter den Handwerkern die Türe öffnen, wie das im Schreiben gefordert wird? Geiler: „Wenn Arbeiten ausgeführt werden sollen, die ein Mieter nicht dulden muss, dann muss er auch nicht die Türe zu seiner Wohnung aufmachen.“
„Hinausmodernisiert“
Geiler hofft, dass solche „Modernisierungen“ nicht Schule machen und erinnert an die zum Verkauf angebotenen 32000 GBW-Wohnungen in Bayern. Der Großteil der 3000 Apartments in Nürnberg ist auch eher kostengünstig. (Siehe Bericht unten)
Der Vorgang in der Adamstraße ist kein Einzelfall. So kündigten Hauseigentümer im April 2010 im Bereich der Sebalder Höfe umfangreiche Sanierungen an. Die Bewohner sollten nach den Arbeiten ebenfalls Mieten in fünffacher Höhe zahlen. Für den Mieterbund war klar: „Die Bewohner sollen verschreckt und hinausmodernisiert werden.“ Ein weiterer krasser Fall ereignete sich in der Lindenaststraße. Dort hat eine Hausbesitzerin ihr Anwesen umgebaut und Wohnungen in Eigenheime umgewandelt — obwohl dort noch Mieter lebten und ihnen durch die Bauarbeiten das Leben schwergemacht wurde.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Miete anzuheben, so Joachim Schlößl, Leiter des Amtes für Wohnen und Stadterneuerung: Entweder der Eigentümer richtet sich nach der ortsüblichen Miete (Mietspiegel), dann darf er innerhalb von drei Jahren die Einnahme um 20 Prozent erhöhen. Oder er verlangt nach einer Modernisierung mehr, er ist dann an die Richtlinien des Mietspiegels nicht mehr gebunden. „Er darf allerdings nur elf Prozent der Investitionskosten umlegen.“
Geschäftsführer spricht von"Revitalisierung"
Dennoch: Liegt die Miete, verglichen mit der ortsüblichen Miete, nach der Modernisierung über der 20-Prozent-Grenze, muss der Eigentümer mit einem Bußgeld rechnen. „Das kann bis zu 50.000 Euro hoch sein“, so Schlößl. Liegt die Erhöhung über 50 Prozent und seine Behörde bekommt das mit, muss sogar mit einem Strafverfahren wegen Mietwucher gerechnet werden.
Auf Anfrage betont der Vertreter des neuen Vermieters in der Adamstraße, der nicht mit Namen genannt werden will, dass die Immobilie marode sei und „in einigen Jahren verfällt, wenn nicht modernisiert“ werde. Grundlage für diese Einschätzung sei ein Gutachten. Das Haus wurde nach dem Krieg „mit wenigen Mitteln“ hochgezogen. Die letzte Modernisierung liege knapp 50 Jahre zurück.
Der Geschäftsführer des Unternehmens spricht mit Blick auf die Erneuerung von „Revitalisierung“. Er wolle eine „faire Lösung“ finden, mit der die Mieter leben könnten. „Es tut uns auch in der Seele weh, wenn alteingesessene Bewohner verpflanzt werden müssen.“ Er könne sich vorstellen, mit Hilfe eines Maklers alternative Wohnungen für sie zu suchen. An der Mietforderung werde sich nach dem Umbau aber nichts ändern, er bleibe dabei. „Dafür werden durch das neue Blockheizkraftwerk im Haus die Nebenkosten geringer.“
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