Angetreten: In Uniform zum Bewerbungsgespräch
11.4.2014, 00:00 UhrEr erinnert sich gern an das geballte „Guten Morgen“, das ihm von der 180-Mann-Truppe auf seinen Gruß hin entgegenschallte. Noch vor wenigen Jahren diente Stefan Walter als Hauptmann bei der Bundeswehr. Einige Zeit verbrachte er in Roth als Kompanie-Chef. Da war er Ende zwanzig. Heute sitzt er in Anzug und Krawatte am Tisch — die Uniform hat der 31-Jährige an den Nagel gehängt. Leicht ist ihm die Entscheidung für einen Wechsel zurück in ein Leben außerhalb der Armee nicht gefallen.
Da waren die Kameraden, die zu Freunden wurden. Der strukturierte Tagesrhythmus. Das gute Gehalt. Der Blick zurück auf das Erreichte. Aber da waren auch die vielen Umzüge. Die Familie. Der Wunsch, etwas anderes zu machen. Über ein Berufsorientierungspraktikum der Bundeswehr kam er zur Allianz Versicherung, heute ist er dort Trainee im Vertrieb. „Ich bin ein Beispiel dafür, dass der Übergang gelingen kann“, sagt Walter mit Stolz.
„Die Wirtschaft empfängt einen nicht immer mit offenen Armen. Man wird auch nicht gleich als Chef eingestellt.“ Für jemanden, der bereits Führungsverantwortung getragen hat und eine Ausbildung mitbringt, bedeutet das in den meisten Fällen: neu anfangen — und zwar von ganz unten. Auch finanziell. Deswegen wagt nich jeder den Sprung in diese „Schlammzone“, weiß Thomas Schanzer, Personalfeldwebel. „Bei vielen jungen Soldaten auf Zeit setzt ein Gewöhnungseffekt ein und sie schieben ihr Ausscheiden aus der Bundeswehr lange hinaus“, erklärt er. Oft zu lange.
Speed-Dating vor Ort
Denn wer beispielsweise mit vierzig die Armee verlässt, hat es schwer auf dem zivilen Jobmarkt, auch mit abgeschlossener Ausbildung. Berufe und Anforderungen ändern sich. Das müsse in den Köpfen noch ankommen, sagt Schanzer. Denn eine automatische Übernahme als Berufssoldat gibt es für Soldaten auf Zeit nicht.
Die Bundeswehr entscheidet nach Bedarf. Auch sie will gutes Personal sichern, kann aber nicht jeden oder jede behalten. Qualifizierte Fachkräfte sucht gleichzeitig die Industrie, und speziell die wachsende Logistikbranche. Hier kommt der Arbeitskreis Bundeswehr und Wirtschaft (AkBwW) ins Spiel. Seit über 30 Jahren unterstützt er Soldaten beim Übertritt. Vorsitzender Johannes Jakobs-Woltering und die anderen ehrenamtlichen Mitglieder, darunter Stefan Walter, haben ein Netzwerk mit Firmen aufgebaut und übermitteln die sortierten Lebensläufe der Soldaten an die Unternehmen. Außerdem organisieren sie Informationstage, bei denen sich Bewerber mit Personalmanagern zum Speed-Dating treffen und Einblicke in die Branche bekommen.
60 Teilnehmer sind dafür zum „Tag der Logistik“ am Hafen angerückt. Sie sind auch bei der Bundeswehr in der Logistiksparte, viele haben eine Ausbildung als Lagerist, Ingenieur oder Hotelfachfrau. Sie treffen dort auf Logistik-Konzerne wie die Geis Group oder Kühne & Nagel und die Panalpina Welttransport GmbH.
Und auf Interesse. „Die Leute sind gut geschult und je nach Einsatzort bringen sie interkulturelle Kompetenzen mit“, erklärt Thomas Wimmer, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutsche Logistik. Das Klischee vom passiven Befehlsempfänger ist laut Walter in den Personal-Etagen ohnehin nicht verbreitet. In Sachen Selbstvermarktung hätten viele aber noch Nachholbedarf, sagt Schanzer. Das Leben „draußen“ ist eben anders.
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