Aufatmen unter Vorbehalt im Nürnberger Delfinarium

3.11.2014, 06:00 Uhr
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat Sunny ein gesundes Junges zur Welt gebracht. Nun heißt es Daumendrücken, dass es dem Nachwuchs weiterhin so gut geht.

© Jörg Hagner In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat Sunny ein gesundes Junges zur Welt gebracht. Nun heißt es Daumendrücken, dass es dem Nachwuchs weiterhin so gut geht.

Das Kalb, das Delfin Sunny in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zur Welt brachte, hält den ganzen Tiergarten in Atem – und nicht nur die Menschen. Durch einen Schieber konnten die anderen Delfine den Geburtsvorgang beobachten. "Da hingen alle am Gitter", berichtet Tiergartenchef Dag Encke. Bis jetzt lief alles rund, dem Kalb geht es gut. Ist der Fluch, der auf der Delfinzucht in Nürnberg zu lasten schien, damit endlich gebrochen?

„Die kritischste Zeit, also die ersten 24 Stunden, hat das Kalb überstanden“, sagt Dag Encke. In dieser Zeit entscheidet sich, ob das Tier biologisch überlebensfähig ist, und ob die Mutter sich gut um ihr Kleines kümmert. Beides scheint der Fall zu sein. Aber bis sich die Delfinpfleger entspannen können, wird es noch eine ganze Weile dauern: „Die ersten zwei Wochen sind kritisch, dann beginnt sich das Immunsystem aufzubauen“, erklärt der Tiergartenchef. Wenn das Kalb etwa drei Monate alt ist, sollte dieser Prozess abgeschlossen sein.

Schon seit Wochen arbeiten die Delfinpflegerinnen und -pfleger im 24-Stunden-Schichtbetrieb. Einer von ihnen hat ständig die Monitore im Blick, auf denen das von den anderen Delfinen abgeschottete Rundbecken zu sehen ist, in dem sich Mutter und Kind befinden. Als die 15-jährige Sunny die Wehen bekam, war das für die Beobachter deutlich sichtbar: „Sie hat sich gedreht und mit dem Bauch an die Wand gelehnt. Man hat deutlich gesehen, dass sie Schmerzen hat.“

Sofort setzten die Tierpfleger eine Telefonkette in Gang, um alle zu informieren. „Wir haben in dieser Nacht wenig geschlafen“, so Dag Encke. Der Geburtsvorgang selbst habe rund zwei Stunden gedauert. Anders als beim Menschen kommen Delfinbabys übrigens mit der Schwanzflosse, der sogenannten Fluke, zuerst auf die Welt. Das Kleine muss nach der Geburt nämlich sofort an die Wasseroberfläche, um Luft zu holen. Kommt es mit der Fluke zuerst, genügt ein Flossenschlag, und es ist schon in der richtigen Richtung unterwegs.

Das Video zum Delfinnachwuchs in Kooperation mit frankenfernsehen.tv

Mutter und Kind werden noch einige Zeit allein im Rundbecken bleiben. Was den richtigen Zeitpunkt für die erneute Zusammenführung mit den anderen Delfinen angeht, ist Fingerspitzengefühl angesagt: Neben dem Zustand des Kalbs muss man auch die Mutter beobachten. „Wir haben schon in den Tagen vor der Geburt gemerkt, dass ihr allein im Becken langweilig ist. Irgendwann wird sie anzeigen, dass sie wieder zur Gruppe zurück will“, erklärt Dag Encke.

Noch aber hat die frischgebackene Mutter alle Flossen voll zu tun: „Wir haben den Eindruck, dass das Kalb ein kleiner Anarcho ist“, witzelt Encke, wird aber gleich wieder ernst. „Es hat uns anfangs Sorge bereitet, dass es immer wieder von der Mutter weggeschwommen ist.“ Schwimmt das Kalb ganz nah seitlich an der Mutter, ist das nämlich gewissermaßen der Energiesparmodus fürs Baby. Es muss dann gar nicht selbst schwimmen.

Aufatmen unter Vorbehalt im Nürnberger Delfinarium

© Foto: Eduard Weigert

Das Kalb hat beim Trinken außerdem so oft neu „angedockt“, dass Encke und sein Team befürchteten, es bekomme nicht genügend Milch – eine denkbar schlechte Kombination. „Wir waren da natürlich auch gebrannte Kinder“, gibt der Tiergartenchef zu bedenken. Das erste Kalb, das Sunny 2007 gebar, verhungerte drei Tage nach der Geburt, weil es nicht genug Milch bekam. Diese Gefahr scheint diesmal aber nicht zu bestehen: Bei einer Untersuchung wurde der Blutzuckerspiegel des Kalbs überprüft – alles in bester Ordnung.

Dass die anderen Delfine die Geburt beobachten konnten, hält der Tiergartenchef für enorm wichtig: „So sind sie auf das Kalb vorbereitet.“ Auch jetzt schwimmt immer mal wieder einer der Meeressäuger hinüber, um das neue Gruppenmitglied in Augenschein zu nehmen.

Dank des Hebebodens in dem Rundbecken können die Tierpfleger das Kalb schnell und unkompliziert untersuchen. „Das darf nicht länger als ein paar Minuten dauern und wurde vorher genau einstudiert“, sagt Dag Encke. Das Team hat aus den Todesfällen der vergangenen Jahre viel gelernt, Abläufe wurden optimiert – und alle haben die Hoffnung, dass es diesmal klappt.

„Die vielen toten Kälber der letzten Jahre – das zermürbt die Mitarbeiter.“ Acht Jungtiere sind seit 1998 im Tiergarten gestorben. Davor hatte es in den 1980ern und 90ern fünf geglückte Aufzuchten gegeben.

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