Bayerns AfD-Chef Sichert: "Es gibt keine Religionsfreiheit"
27.3.2018, 05:47 UhrHerr Sichert, in Ihrer ersten Rede im Bundestag habe Sie allen anderen Parteien sehr schroff vorgehalten, diese verstünden nichts von Integration. Sie wissen demnach, wie Integration auszusehen hat?
Martin Sichert: Die Menschen, die zu uns kommen, müssen sich an dieses Land mit seinen Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung anpassen. Das muss man von jedem einfordern, der Teil dieser Gesellschaft werden möchte.
Dann hat Ihnen der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer einen großen Gefallen getan, in dem er gesagt hat: Der Islam gehört nicht zu Deutschland.
Sichert: Herr Seehofer hat das in Verbindung gebracht mit christlichen Feiertagen. Wir reden aber über Themen wie Ehrenmorde oder Zwangsehen, Dinge, die wir aus vielen muslimisch geprägten Gesellschaften kennen, und die hier bei uns stark verbreitet sind. Da sind Parallelgesellschaften entstanden.
Landtagswahl als Gradmesser
Die AfD steht rechts von der CSU?
Sichert: Wir stehen da, wo die CSU vielleicht vor 20 Jahren stand, und wo sie heute nicht mehr zu finden ist. Die Regierungspartei redet über vieles, was man machen sollte. Wir sind gespannt, ob das endlich umgesetzt wird.
Der Ausgang der Landtagswahl in Bayern ist für Ihre Partei ein entscheidender Gradmesser. Um ihr Ziel zu erreichen, kämpfen sie vor allem um die Gunst bisheriger Nichtwähler und um Wähler der CSU. Die Regierungspartei nimmt ihnen gegenwärtig viele Themen weg. Sie spricht von schärferen Grenzkontrollen, sie will schnellere Abschiebung von Flüchtlingen. Hinzu kommt Seehofers Islam-Äußerung. Was wollen Sie dieser Strategie noch entgegensetzen?
Sichert: Die CSU redet jetzt ganz viel von den Dingen, die die AfD verändern will. Bei den Abschiebungen lag Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern auf Platz zehn. Da ist also noch Luft nach oben. Söders Grenzpolizei ist eine Polizei für das Hinterland. Das hat nichts mit den Kontrollen zu tun, wie wir sie seit langem fordern. Und Horst Seehofer hat sich erst kürzlich für den Islamunterricht an den Schulen ausgesprochen. Die Menschen merken sehr schnell, ob jemand was tut oder nur redet. Deshalb hat die CSU bei der vergangenen Bundestagswahl eine so kräftige Ohrfeige vom Wähler kassiert.
Sie wollen keinen staatlich kontrollierten Islamunterricht mehr an den Schulen?
Sichert: Nein, den wollen wir nicht. Muslime sollen im Ethikunterricht etwa mit Themen wie der Aufklärung in Berührung kommen.
Wie vereinbaren Sie das mit der Religionsfreiheit?
Sichert: Es gibt keine Religionsfreiheit in Deutschland. Es gibt eine Glaubensfreiheit. Die ist im Grundgesetz geschützt. Wir wollen bei uns keine Imame haben, die im Ausland ausgebildet wurden und die von dort gesteuert werden, wie das bei der türkisch-islamischen Ditib der Fall ist.
Laut Grundgesetz ist die ungestörte Religionsausübung garantiert.
Sichert: Wir müssen als Staat darauf achten, dass sich Parallelgesellschaften nicht weiter verfestigen. Deshalb sollen muslimische Schüler in den Ethikunterricht. Dort können sie etwas über die Grundwerte der deutschen Gesellschaft lernen.
Wettbewerb um die härteste Haltung?
Das ist Populismus in Reinkultur. Die allergrößte Mehrheit der Muslime lebt in keiner Parallelgesellschaft.
Sichert: Ich kenne Umfragen, beispielsweise von Emnid aus dem Jahr 2016 unter türkischstämmigen Menschen in Deutschland, die belegen, dass über 40 Prozent dieser Gruppe glauben, die Scharia stehe über den deutschen Gesetzen. Ein Drittel wünscht sich eine Gesellschaft wie zu Mohammeds Zeiten.
Es gibt Untersuchungen, die sagen, dass 90 Prozent der hochreligiösen Muslime die Demokratie für eine gute Regierungsform halten, dass 83 Prozent der Muslime in Deutschland die Gleichberechtigung von Mann und Frau als fest verankerten Wert sehen. Mit Blick auf den kommenden Landtagswahlkampf steht zu befürchten, dass zwischen CSU und der AfD ein Wettbewerb um die härteste Haltung gegenüber Flüchtlingen oder Muslimen stattfindet?
Sichert: Wir haben inhaltliche Positionen. Die CSU versucht die zu kopieren. Das wird der Wähler erkennen. Vielleicht entsteht ein so hoher Druck, dass die CSU auch mal handelt. Dann sagen wir: Wunderbar, wir haben erreicht, was wir durchsetzen wollten.
Gesetzt den Fall, die AfD wäre nach der Landtagswahl tatsächlich zweitstärkste Kraft. Welchen Kurs wird Ihre Partei dann im Landtag einschlagen?
Sichert: Wir sind ganz klar Oppositionspartei, bis wir so stark sind, dass die anderen auf unseren inhaltlichen Kurs einschwenken. Diese Entwicklung haben wir schon in Österreich mit der FPÖ erlebt. Als die immer stärker und stärker wurde, hat man plötzlich die Balkanroute für Flüchtlinge geschlossen, und es setzte ein Kurswechsel in der österreichischen Politik ein. Genau das auch ist unser Ziel. Wenn wir allerdings in Bayern 20 oder gar 30 Prozent erreichen sollten, dann müssen wir auch über eine Regierungsbeteiligung reden.
Das gesamte Interview mit Martin Sichert, dem Nürnberger Bundestagsabgeordneten und bayerischen AfD-Vorsitzenden, lesen Sie in der Dienstagsausgabe der Nürnberger Nachrichten.
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