Die ,Dao-Kinder‘ sind erwachsen geworden
29.11.2012, 11:59 UhrMit langsamen Schritten betritt Antonio Dao den Historischen Rathaussaal. Oberbürgermeister Ulrich Maly empfängt ihn, reicht dem 27-Jährigen die Hand und gratuliert ihm zur Einbürgerung. Diese nimmt der gebürtige Vietnamese jedoch mit gemischten Gefühlen auf. „Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder trauern soll“, erklärt er. „Es hat einfach zu lange gedauert. Seit mehr als 20 Jahren leben wir in Nürnberg. Und erst jetzt haben meine Schwester und ich die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.“
„Wer viel tut, bewegt wenig“
Juli 1991: Vater Van Binh Dao reist nach Deutschland, nachdem er von Dezember 1988 bis Juni 1991 als Vertragsarbeitnehmer in Bulgarien tätig war. Ein erster Asylantrag wird von den deutschen Behörden abgelehnt. Trotzdem holt er seine Ehefrau und die damals fünf- und sechsjährigen Kinder nach. Sie hätten, so der Vater, gegen das vietnamesische Regime protestiert. Bei einer Rückführung in die Heimat sei ihr Leben in Gefahr.
Für die Familie beginnt ein Kampf gegen die Behörden. Sieben Jahre wird ihr Aufenthalt geduldet, Van Binh grillt jahrelang Würste im Nürnberger „Bratwursthäusle“. Doch darauf nimmt die Bundesregierung keine Rücksicht. 1995 schließt sie mit Hanoi ein Abkommen über die „Rückführung“ von 40000 vietnamesischen Staatsbürgern.
Doch die Familie, ganz besonders die „Dao-Kinder“, bekommt Rückendeckung. Zum Beispiel von Willi Friedrich. Der Nürnberger Kaufmann war der Vermieter der Familie und setzt sich für die Daos ein: Er schreibt dem damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, platzte sogar in eine Senioren-Versammlung mit dem CSU-Fraktionschef Alois Glück und kooperierte stark mit dem Landesbischof Johannes Friedrich. „Ich weiß, dass ich lästig bin. Aber wer nichts tut, bewegt gar nichts. Wer viel tut, bewegt wenig“, sagt er bescheiden. Und begleitet den jungen Antonio auch heute noch auf seinem Weg.
Leider reicht all das Engagement sowie die Gründung des Vereins „Schutzgemeinschaft für Humanität und Toleranz“ nicht aus. Die Abschiebung der Daos blieb unausweichlich.
„Keine schöne Zeit“
Doch Van Binh und seine Ehefrau Thi Hai kommen den Behörden zuvor und tauchen unter, um den Kindern ein Leben in Deutschland zu ermöglichen. Während Mutter und Vater verschwunden bleiben, werden Tuyet und Antonio im Jugendheim „Stapf“ untergebracht.
„Das war keine schöne Zeit, unsere Eltern fehlten uns sehr“, erinnert sich Antonio bei der Einbürgerungsfeier. Bereits mit 15 Jahren ist Antonio aus dem Heim ausgezogen. „Ich wollte Banker werden, hatte auch Ausbildungsangebote. Aber ich durfte diese nicht annehmen“, erklärt der Vietnamese das schwere Leben eines Asylbewerbers.
Lediglich als Reinigungskraft oder in der Gastronomie dürfe er arbeiten. Antonio ließ sich dennoch nicht unterkriegen, begann als Hotelfachmann im Schindlerhof und führte nach seiner Ausbildung mehrere Restaurants, während Schwester Tuyet erfolgreich ihr BWL-Studium an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg abgeschlossen hat und nun durch Australien reist.
Mittlerweile haben die beiden wieder Kontakt zu ihren Eltern, trotzdem hat der Abschiebeprozess die Familie zerrissen. Vater Van Binh wurde schwer krank. Begleitet wird das Geschwisterpaar zudem noch immer von Willi Friedrich. Der Kaufmann ist „stolz auf die ,Dao-Kinder‘, die nun erwachsen geworden sind“. Und freut sich, dass sein bürgerschaftliches Engagement am Ende doch einen Erfolg, die Einbürgerung von Tuyet und Antonio, brachte.
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