Ein Insider verrät: So ist das Leben als Männer-Callboy
31.3.2017, 05:56 UhrEin Cafe, irgendwo in einer bayerischen Großstadt. Marc ist ein junger Mann Mitte 20, der eigentlich anders heißt. Es ist schwülwarm an diesem Tag. Marc trägt ein weißes T-Shirt, Shorts und modische Flip-Flops. Seine blonden Haare und die dicke Sonnenbrille in seinem Gesicht runden das Bild vom Sonnyboy perfekt ab. Als Callboy ist man wohl irgendwie auch PR-Profi.
Marc fällt es sichtlich leicht über sein Leben als Escort zu sprechen. Offenbar schämt er sich nicht für das, was er tut. Angefangen habe alles mit Geldproblemen, berichtet er. Geld für Sex, das sei für viele Callboys erst mal eine Notlösung, eine Fluchtmöglichkeit aus einer schwierigen Lebenssituation.
Gerade Jungs, die von ihrem Umfeld aufgrund ihrer Sexualität verstoßen werden, gingen häufig diesen Weg. Marc hat einen normalen Beruf gelernt. Er legt Wert darauf, anders zu sein als die billigen Jungs am Bahnhof. Seine Kunden findet er hauptsächlich im Internet und wählt sie genau aus: "Ich treffe eine Vorauswahl, schaue mir an, wie jemand schreibt, ob er Bilder von sich hat und gepflegt wirkt. Außerdem treffe ich Kunden nur auswärts, nie bei mir zu Hause."
Schlüpfrige Anfragen
Alle Anfragen zu lesen und auszufiltern scheint mitunter eine gewöhnungsbedürftige Angelegenheit zu sein. Marc berichtet von Menschen mit perversen sexuellen Neigungen, von Teenagern, die gerne entjungfert werden möchten und nicht zuletzt von einem Mann, der ihn dazu beauftragen wollte, für die Erfüllung seines Kinderwunsches zu sorgen.
Generell verlaufen die Treffen aber eher unspektakulär. Die meisten Kunden sind zwischen 35 und 45 und haben das Geld für Marcs Honorar locker übrig. Das fällt ziemlich üppig aus: 150 Euro kostet eine Stunde, wer die ganze Nacht mit ihm verbringen will, muss 600 Euro auf den Tisch legen. Finanziell spielt er damit durchaus in einer Liga mit seinen Kunden. Jeden Monat nimmt er hohe vierstellige Beträge ein. Da er nicht offiziell angemeldet ist, lagert das Geld als Barvermögen in einem Schließfach.
Vielleicht werde er das irgendwann ändern, sagt Marc. Manchmal empfinde er den Sex selbst als befriedigend, manchmal nicht, das komme ganz auf den Kunden an. Viele seiner Kunden treffe er häufig, die meisten seien Stammkunden. "Die schreiben mir manchmal mehrmals am Tag über Whatsapp, schicken mir irgendwelche Bilder von sich oder aus ihrem Leben." Manche von ihnen seien mittlerweile eher Freunde als Kunden.
Emotionale Bindung zu den Kunden
Marc erzählt von interessanten Persönlichkeiten, die seine Dienste in Anspruch genommen haben, von Unternehmern, Managern oder Leuten aus Film und Fernsehen. Zu vielen Kunden habe er eine enge Bindung, wisse viel aus deren Leben. Verzichtet er mal auf Geld wenn es besonders schön war? "Nein, gezahlt wird immer." Zuneigung gegen Geld, Sex gegen Geld, Freundschaft gegen Geld, so läuft das Geschäft eben.
Einen Teil des Einkommens legt er zur Seite – Altersvorsorge. Mehrfach betont Marc, dass er seinen Job gerne macht, dass er es genießt, Callboy zu sein. Interessante Menschen, fremde Städte, Hotels, Reisen – ein bisschen Jetset eben. Das Gespräch mit ihm ist angenehm, er lacht viel und hat sichtlich Spaß daran, Einblicke in sein Leben zu gewähren.
Folgen für Privatleben
Doch der Beruf hat auch Schattenseiten. Callboy sein, das macht man nicht einfach nebenher. Die Folgen für das Privatleben sind vielfältig. Marc erzählt, dass sich seine Sexualität verändert habe. Sex sei ihm in einer Partnerschaft nicht mehr so wichtig, Monogamie könne er sich aber auch kaum mehr vorstellen. Überhaupt ist das Thema Beziehung nicht unproblematisch: "Nach einer Zeit müsste ich schon erzählen, was ich beruflich mache. Und natürlich ist das etwas, mit dem der Partner erst mal klarkommen muss." Marc weiß auch, dass es den Bruch mit seiner Familie bedeuten könnte, wenn diese erfährt, dass er als Callboy arbeitet.
Er lebe sein Leben unabhängig davon was andere davon hielten, betont er. Doch es ist zu spüren, dass dieses Versteckspiel nicht spurlos an ihm vorüber geht. Marc erzählt von einem Kollegen, der als Callboy arbeitet um seine Kinder zu ernähren. Ein anderer ist irgendwann abgestürzt und ausgestiegen. Er selbst ist sich nicht sicher, wie lange er den Job noch machen will. Vielleicht 5 Jahre, vielleicht länger. Noch immer arbeitet er halbtags in seinem alten Beruf.
Es ist wichtig, den Kontakt zum Berufsleben nicht vollständig zu verlieren. Schließlich weiß man nie, wie lange man als Callboy noch gefragt ist. Dann muss Marc los, ein Kunde wartet. Er freue sich, sagt er: "Vielleicht machen wir eine Flasche Wein auf."
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