Er hilft im Haushalt
9.7.2015, 20:39 UhrDie heruntergefallene Brille aufheben, prüfen, ob noch Milch im Kühlschrank ist, oder Staub saugen: Möglichkeiten, Roboter in den eigenen vier Wänden einzusetzen, sieht Diplomingenieur Sebastian Reitelshöfer viele. Bei der Fachtagung „Mensch-Roboter-Kollaboration“ auf AEG hat der Wissenschaftler erklärt, wo die Forschung gerade steht.
Mit seinen leuchtenden Kulleraugen stiehlt „Nao“ allen die Show. Gerade mal 58 Zentimeter groß, richtet sich der weiß-rote Geselle auf Reitelshöfers Geheiß tapsig auf, ehe Nao mit technischer Kinderstimme konstatiert: „Okay. Was soll ich als Nächstes tun?“ Der humanoide Roboter kann vordefinierten Befehlen wie „Steh auf!“ folgen, kann winken, tanzen und im Internet recherchieren.
Neunmalkluger Geselle
Manchmal wirkt er neunmalklug, und manchmal weiß er nicht, wem er seine Aufmerksamkeit schenken soll, doch weil Naos Design dem Kindchenschema folgt und seine Sprache geschickt gewählt ist, schließt ihn fast jeder spontan ins Herz. Ob ein Roboter von potenziellen Nutzern angenommen werde, hänge an einer Vielzahl von Faktoren, berichtet Reitelshöfer, der an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg am Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik forscht.
„Wenn ein Roboter sehr menschlich ist, muss er perfekt funktionieren. Sonst wird es gruselig“, resümiert der Ingenieur und nennt etwa abrupt abgebrochene Sätze als ein Ausschlusskriterium. Naos Stimme klinge deshalb bewusst computergeneriert, gleichzeitig suggerieren seine blinzelnden und leuchtenden Augen Lebendigkeit — ein Trick aus der Filmbranche, den sich der französische Hersteller Aldebaran Robotics zunutze gemacht habe. Problematisch sei es ferner, wenn ein Roboter zu schlau sei: „Stellen Sie sich den Kollegen oder Mitbewohner vor, der immer alles besser weiß“, illustriert Reitelshöfer. „Mit dem arbeitet oder lebt auch keiner gerne zusammen.“
Animiertes Gesicht
Der Akzeptanz der Maschinen komme also eine Schlüsselrolle zu, wenn Roboter ihren Siegeszug in Privathaushalten antreten sollen, bilanziert der Wissenschaftler. Auch in der Industrie gehe die Entwicklung derzeit in Richtung flexibler Roboter mit menschlichem Antlitz. So verfügt beispielsweise „Baxter“ der US-amerikanischen Firma Rethink Robotics über ein animiertes Gesicht und lässt sich fast wie ein Mensch an der Hand führen. „Dadurch wird eine ganz andere Form des Programmierens möglich, auf intuitive Art“, folgert Reitelshöfer und hofft so neue Zielgruppen erschließen zu können.
Bislang kommen Roboter als Produktionsassistenten vor allem in der Automobil- und Zulieferindustrie zum Einsatz. Daher überrascht es nicht, dass viele der circa 80 Teilnehmer an der zweitägigen Tagung in Nürnberg eben aus jener Branche stammen oder aber Vertreter von Hausgeräteherstellern und Forschungseinrichtungen sind. Die von der FAPS-TT GmbH organisierte Veranstaltung wolle primär Wissenschaft und Industrie zusammenbringen und aufzeigen, wo die Trends hingehen, erklärt Reitelshöfer.
Beispielsweise sei das Bild des tonnenschweren Industrieroboters, der mit Schutzzäunen von seinen menschlichen Kollegen abgeschirmt werden muss, inzwischen veraltet. Baxter etwa wiege in Summe gerade mal 80 Kilogramm. Wenn einer seiner 20 Kilogramm schweren Arme einen Menschen streife, sei das selbstredend nicht so gefährlich wie bei seinen kolossalen Vorläufern – auch weil der flexible Leichtbauroboter in jedem Gelenk nachgeben könne.
Assistent für ältere Menschen
Ähnlich wie bei Computern griffen Forschungseinrichtungen bei Robotern inzwischen verstärkt auf die Hardware externer Anbieter zurück und entwickelten diese nicht mehr selbst, berichtet Reitelshöfer und erläutert: „Das Ziel besteht darin, die Systeme durch entsprechende Software intelligent zu machen.“ Schon in naher Zukunft könnten Roboter beispielsweise älteren Menschen helfen, die gebrechlich werden und in ihrem gewohnten Umfeld bleiben wollen.
Das solle kein billiger Ersatz für eine menschliche Pflegekraft oder Haushaltshilfe sein, wohl aber eine als angenehm empfundene Gesellschaft und ein Handlanger, der etwa heruntergefallene Gegenstände reicht und so vielleicht den einen oder anderen Sturz verhindert, betont der Ingenieur. Auch variabel im Haushalt einsetzbare Roboter, die diverse Funktionen erfüllen wie im Internet recherchieren, unterhalten, saugen und Fenster wischen, hält der Bereichsleiter für Biomechatronik für keine allzu weit entfernte Zukunftsvision: „Ich glaube, wir sind gerade an einem ähnlichen Punkt wie in den 1970er Jahren mit den Großrechnern. Damals konnte sich auch niemand vorstellen, dass 20 Jahre später fast jeder zu Hause einen oder mehrere PC haben würde.“
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