Gabriels Energiepolitik hat in Nürnberg wenig Freunde
30.7.2014, 05:11 UhrEigentlich sind die Nürnberger Gespräche der Bundesagentur für Arbeit eine eher akademische Veranstaltung mit zurückhaltendem Publikum. Das war dieses Mal deutlich anders – und das lag an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der als Gast gleich von zwei Seiten in die Zange genommen wurde: Vor der Veranstaltung im Alten Rathaussaal gab es sowohl Proteste von Kritikern des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) als auch von Gegnern der geplanten Stromtrasse zwischen Bad Lauchstädt und Meitingen, die sich lautstark mit Trillerpfeifen und Megafonen bemerkbar machten.
Doch Gabriel ist ein ausgebuffter Diskutant; das merkte als erster Herbert Barthel vom Bund Naturschutz, der dem Minister vor der Veranstaltung einen offenen Brief überreichte. Den akzeptierte Gabriel zwar, nicht aber die enthaltene Kritik: Das Schreiben stammt von Bürgerenergiegesellschaften, die ihre Existenz bedroht sehen. Sie beanstanden, dass sie schwankende Vergütungssätze akzeptieren oder Strom mühselig selbst vermarkten müssen. „Sie unterstellen eine Lage, die es so nicht gibt“, wies Gabriel die Vorhaltungen zurück. Es sei sogar eine eigenes Gesetz geplant, um den Bestand der Bürgergesellschaften zu sichern.
Gesetz verteidigt
Später im Saal ging es am Anfang der Debatte um das eigentliche Thema der Veranstaltung, den Auswirkungen der Energiewende auf die Arbeitsplätze. Da verteidigte dann Gabriel seine Entscheidung, stromintensive Unternehmen mit einer fast vollständigen Befreiung von der EEG-Umlage weiter zu subventionieren. Andernfalls wären, so argumentierte er, einerseits hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet worden, andererseits hätte eine dreiköpfige Familie nur zwischen 30 und 40 Euro im Jahr gespart; das ist für ihn eine „schräge Diskussion“.
Claudia Kemfert, Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, sah die Energiewende auch als Jobmotor: Über 300.000 Arbeitsplätze habe sie bereits geschaffen, im Kohle- und Atombereich gibt es dagegen nur noch 50.000 Jobs. Dagegen sorgte sich Egbert Biermann von der IG Bergbau, Chemie, Energie um die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland, wenn der Strom zu teuer wird.
Wertverlust durch Kabel
Ein großer Teil des Publikums hatte jedoch vor allem auf Uwe Raab gewartet, der Pegnitz als Bürgermeister vorsteht und zugleich Sprecher jener Kommunen ist, die sich gegen die Stromtrasse verbündet haben. Er befürchtet, dass die Gleichstrompassage vor allem Braunkohlestrom transportiert und dass Gebäude durch die benachbarten Kabel dramatisch an Wert verlieren. Stattdessen plädierte er für Solaranlagen, Windräder oder Blockheizkraftwerke, die Strom und Wärme produzieren.
Er erntete bei Gabriel ein wenig Zustimmung. Viele kleine Stromanlagen findet auch der Minister gut, ist aber überzeugt, dass sie allein die Stromversorgung nicht sicherstellen können. Dass Windstrom vom Norden in den Süden muss, bleibt sein Credo.
Trotzdem erstaunte ihn die Kritik an seine Adresse: Denn die Trasse wurde von der Vorgängerregierung beschlossen und vom Freistaat Bayern im Bundesrat mit abgenickt. Gabriel und sein Ministerium wollen die Planungen nun verändern, weil sie gegen den massiven Widerstand nicht umzusetzen sind: Der Startpunkt soll in den Norden verlängert, der Verlauf verändert und mehr Erdverkabelung ermöglicht werden. Proteste wird es auch dagegen geben — das ist Gabriel schon jetzt klar. Aber: „Ich komm‘ gern nochmal zum Rumstreiten, kein Problem.“
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