Heimgartenweg in Zabo: Sechs Häuser vor dem Abriss
28.3.2017, 05:59 UhrSiegfried Dengler vom Stadtplanungsamt hatte sich in den vergangenen Wochen vergeblich für den Erhalt der leerstehenden Reihenhauszeile an der Waldluststraße mit den Nummern 111 bis 121 eingesetzt - doch die Würfel sind nun gefallen. Bei Baureferent Daniel Ulrich ist "die Trauer über den Abriss überschaubar", wie er sagt. Die knapp 100 Jahre alte Siedlung rund um den Heimgartenweg mit der leicht geschwungenen Straßenführung und den unterschiedlichen kleineren und größeren Häuserensembles verbreite ein "kleinstädtisches Idyll", würdigt er. Doch betont Ulrich auch: "Es ist eben nicht so herausragend, dass es denkmalwürdig ist."
Sanierung zu teuer
Die Wohnungsgenossenschaft will die Reihenhauszeile an der Waldluststraße/Ecke Valznerweiherstraße aufgeben. Eine Sanierung sei zu teuer - Nachverdichtung lautet das Gebot der Stunde. Und so möchte die Genossenschaft an ihr Mehrfamilienhaus in der angrenzenden Valznerweiherstraße direkt anbauen: Dieser neue Mietblock soll dann bis zur Waldluststraße, wo jetzt noch die sechs Reihenhäuser stehen, geführt werden.
Die Stadt akzeptiert das - hätte aber durchaus Möglichkeiten gehabt, der Wohnungsgenossenschaft Steine in den Weg zu legen. Denn derzeit muss die Genossenschaft die Stadt lediglich über geplante Abrisse rund um den Heimgartenweg informieren. Mit dem Erlass einer sogenannten Erhaltungssatzung hätte die Stadt bewirken können, dass jeder einzelne Abriss erst von der Verwaltung genehmigt werden muss. Der Baureferent verdeutlicht: "Wir hätten dem Wohnungsunternehmen das Leben schwermachen können. Piesacken ist aber keine so gute Idee."
Die Entscheidung von Daniel Ulrich hat allerdings nicht nur Freunde. So bedauert Stadtheimatpflegerin Claudia Maué, dass die Verwaltung auf eine Erhaltungssatzung verzichtet: "Ich finde, man sollte es mal durchziehen und damit Erfahrungen sammeln." Und auch die Stadtbild-Initiative äußert Kritik und fordert, den Abriss zu stoppen.
Ein Experte, der die Diskussion um den Abriss aufmerksam verfolgt, wohnt übrigens mit seiner Frau selbst in der Siedlung. Architekt Martin Daut, aktiv im Vorstand der Initiative BauLust, kritisiert: Die Siedlung habe in den vergangenen Jahrzehnten so manche "gestalterischen Verluste" hinnehmen müssen. "Aus falsch verstandenem Zeitgeist griff das Wohnungsunternehmen Zug um Zug in seine Wohnanlage aus den 20er Jahren zu deren gestalterischem Nachteil ein", glaubt der Ruheständler. "Die das Stadtbild prägenden Lattenzäune der Vorgärten fielen der Modernisiererei ebenso zum Opfer wie die maßstäblichen, zweigeteilten Sprossenfenster." Daut plädiert für die umstrittene Nachverdichtung und gleichzeitig für eine "qualifizierte Planung".
Genau darauf habe die Stadt ein Auge, betont der Baureferent. So lasse das Wohnungsunternehmen Nürnberg-Ost auf eigene Kosten eine externe Studie zur Entwicklung der Siedlung erstellen. In dem Gutachten geht es zum einen um den Neubau auf dem Grundstück der sechs Reihenhäuser sowie um einen Mietblock auf einer größeren freien Fläche im Norden der Siedlung: Zwischen Ben-Gurion-Ring und Heimgartenweg sollen Häuser mit bis zu 120 Wohnungen errichtet werden - und weitere Gebäude der historischen Siedlung werden mittel- bis langfristig zur Erschließung des Grundstücks wohl weichen müssen.
Und auch hier gibt es Unstimmigkeiten zwischen der Stadtheimatpflegerin und dem Baureferenten. Claudia Maué schlägt vor, dass man zur Erschließung des Grundstücks eine Zufahrt vom Ben-Gurion-Ring bauen könnte - dadurch könnte man den Abbruch weiterer Häuser verhindern. Die Idee kam bei der Verwaltung nicht an: Ihr wurde von der Stadt beschieden, "Verkehrsfluss geht vor Bausubstanz". Daniel Ulrich sagt: "Der Ben-Gurion-Ring ist eine wesentliche Hauptverkehrsachse, eine weitere Abbiegung würde zum Verkehrschaos führen."
Das Wohnungsunternehmen hat die Mieter im Viertel bereits in einem Rundschreiben über die Pläne informiert. Die Mieter der Häuser, die vielleicht abgerissen werden, "brauchen nicht zu befürchten, dass die Planungen kurzfristig umgesetzt werden", teilte die Genossenschaft mit. In den nächsten fünf Jahren würde man nicht aktiv auf die betroffenen Mieter zugehen. Man sei bemüht, mit den Mietern "einen langsamen, sozialverträglichen Freizug der betroffenen Gebäude zu erreichen".
Die Stadtbild-Initiative macht sich dafür stark, dass der Abriss der Häuser am Heimgartenweg unterlassen und die Verkehrserschließung des Neubaugebietes neu konzeptioniert wird.
Einen entsprechenden Appell richtet die Initiative, in der sich unter anderem die Altstadtfreunde, der Bund Naturschutz oder der Verein Geschichte für Alle zusammengeschlossen haben, an das Wohnungsbauunternehmen Nürnberg-Ost sowie an die Stadtspitze und alle Stadtratsfraktionen. Darüber hinaus solle das Baureferat dem Stadtrat baldmöglichst einen Vorschlag zu einer Erhaltungssatzung für die gesamte Heimgartensiedlung vorlegen. Die Planungen für das Gebiet, so die Stadtbild-Initiative weiter, sollen wieder dem Baukunstbeirat vorgestellt und in öffentlicher Sitzung diskutiert werden.
"Die Heimgartensiedlung ist eines der wenigen Beispiele von Genossenschaftssiedlungsbauten nach dem Ersten Weltkrieg in Nürnberg", meint Elmar Hönekopp von der Stadtbild-Initiative. Sie bilde ein bisher intaktes und geschlossenes Ensemble, das zwar vom Landesamt für Denkmalpflege nicht unter Denkmalschutz gestellt wurde, aber nichtsdestotrotz erhaltenswert sei. "Grundsätzlich befürchten wir, dass die Realisierung dieser Planungen den Anfang vom Ende der Heimgartensiedlung bedeutet. Negative Erfahrungen mit dem Ensemble Schillingstraße in der Südstadt lassen das erwarten", so Hönekopp weiter.
Es werde Bausubstanz und volkswirtschaftliches Vermögen vernichtet, das mit einem Vielfachen an Kapital wieder neu gebildet werden müsse. "Ein auch aus Gründen der Nachhaltigkeit fragwürdiges Verhalten."
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