Hoffen auf eine Zukunft: Drei Flüchtlinge erzählen

10.7.2014, 11:39 Uhr
18 Flüchtlinge waren am Nürnberger Hallplatz in den Hungerstreik getreten.

© Stefan Hofer 18 Flüchtlinge waren am Nürnberger Hallplatz in den Hungerstreik getreten.

Wenn Aster Gebremariam lächelt, dann schlägt sie die Augen nieder und blickt auf den Boden. Wenn Aster Gebremariam weint, dann hält sie sich die Hände vor das Gesicht. Sie lächelt immer wieder, weint selten. Glücklich ist sie nicht.

Vor knapp zwei Jahren verließ sie ihre Heimat. Aster Gebremariam, 30 Jahre, hat zwei Kinder, ist verheiratet. Ihr Mann, erzählt sie, engagierte sich in der OLF, einer Partei, die sich für die Rechte der Volksgruppe der Oromo einsetzt. Die äthiopische Regierung sieht in ihr eine terroristische Organisation. Irgendwann, sagt Aster Gebremariam, war ihr Mann verschwunden. Er blieb Tage und Wochen fern, sie und die Kinder warteten, hofften, er würde bald wiederkommen. „Mein Mann ist gestorben“, sagt Aster Gebremariam und hält die Hände vor das Gesicht.

Die Regierung habe ihn umgebracht, sagt sie. Sie fürchtete um ihr Leben. „Ich musste gehen.“ Die Kinder blieben zurück in Äthiopien. Die Mutter machte sich auf den Weg, durchquerte den Sudan und Libyen, floh über das Mittelmeer nach Sizilien. Seit einem Jahr und sechs Monaten ist sie in Deutschland. Das Interview im Bundesamt für Migration hat sie absolviert, nun fehlt der Bescheid, der über Aster Gebremariams Zukunft entscheidet. Noch hofft sie, vielleicht hat sie Glück. Dann will sie ihre Kinder nachholen. „Ich vermisse sie so sehr.“

"Wer sich weigert, spielt mit seinem Leben"

Naqib Hakimi ist eloquent – auch jetzt, da er ein paar Tage nichts mehr gegessen hat, spricht er druckreif in die Mikrofone, die ihm die Reporter hinhalten. Was er sagt, klingt wohl durchdacht, fast nüchtern. Warum, Naqib Hakimi, erpressen die Flüchtlinge das Bundesamt mit einem Hungerstreik? “ Der 21-Jährige sitzt auf einer Pritsche im Flüchtlingszelt am Hallplatz, „Kein Mensch ist illegal“, steht auf seinem T-Shirt.

Er blickt auf. „Wissen Sie, was ungerecht ist? Dass mir die Taliban vor fünf Jahren eine Waffe in die Hand drücken wollten.“ So sei das in seiner Heimat, in Afghanistan, sagt er. Egal ob die Taliban, eine andere Volksgruppe oder die Regierung, irgendwer wolle die jungen Männer für ihre Zwecke kämpfen lassen. Und wer sich weigere, spiele mit seinem Leben.

Also floh Naqib Hakimi mit seinem Cousin Muhamad. Als Minderjährige kamen sie nach Deutschland, lernten die Sprache, besuchten die Schule. Inzwischen sind sie alt genug, das Asylverfahren zu durchlaufen. Sie wurden abgelehnt, sind nur geduldet, können weder arbeiten, noch sich eine eigene Wohnung suchen. Dabei sind sie motiviert, „wir wollen hier leben, hier Steuern zahlen“. Doch die Cousins dürfen nicht. „Ist das gerecht?“

Von acht Kugeln getroffen

Es waren acht Kugeln, sagt Karim Gholami und schiebt sein T-Shirt nach oben. Da, im Rücken und auf der Seite haben sie getroffen. Er zieht die Hose ein Stück nach unten: Da auch, in die Hüfte und im Bein. Die Wunden sind gut verheilt, doch die Narben deutlich zu sehen. „Seitdem mich die Kugeln trafen kann ich nicht mehr laufen“, sagt Karim Gholami. In der Ecke steht sein Rollstuhl.

Karim Gholami kommt aus dem Iran, seine ganze Familie habe gegen die Regierung gearbeitet, erzählt er, wurde deswegen verfolgt. „Meinen großen Bruder haben sie aufgehängt.“ Und ihn selber, sagt er, im Kampf verwundet. Er floh nach Deutschland, war sich sicher, als politischer Flüchtling anerkannt zu werden. Doch der Asylantrag des 43-Jährigen wurde abgelehnt.

„Nun kämpfe ich wieder“, sagt Karim Gholami. Der Einsatz: Seine Gesundheit. Seit fünf Tagen hat er nichts mehr gegessen, seit zwei Tagen nichts mehr getrunken. Mittwoch Nachmittag bringt ihn der Notarzt mit dem Rettungswagen in die Klinik. Kurz darauf die Entwarnung: Karim ist schwach, aber bald wird es ihm besser gehen.

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