Kolonnen-Fahren: Nürnberger Einsatzkräfte üben für Ernstfall
29.4.2018, 20:32 UhrSchaltet die Ampel plötzlich auf Rot, darf der Konvoi nicht abreißen - die Fahrer dürfen das Signal ignorieren und mit ihrem Einsatzwagen aufschließen.
Da stehen sie, gefangen im Karree der Feuerwache 4 am Hafen: Auf der einen Seite die Einsatzfahrzeuge der fünf Hilfsdienste - Rotes Kreuz, Malteser, Johanniter, Arbeiter-Samariter-Bund und Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Und auf der anderen Seite die Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehren. Bis zu 50 Lkw und Transporter stehen Samstagmorgen im Hof der Berufsfeuerwehr.
Rund 150 Helfer stehen bereit, warten auf den Marschbefehl. In zwei Etappen werden sie ausrücken, zuerst die Feuerwehren, eine halbe Stunde später die Rettungsdienste. Das wird keine Spritztour, das Training gilt dem Fahren in der Kolonne. Organisationsleiter Stefan Lauber fährt schon mal die geplante Strecke ab — mit dem Zeigefinger auf der Landkarte. Vom Hafen aus geht es Richtung Stein, an Heilsbronn vorbei nach Neuendettelsau. Dann geht’s Richtung Roth, weiter nach Freystadt, Velburg, Lauterhofen, an Altdorf vorbei und wieder zurück nach Nürnberg. Ziel ist die Schreiberhauer Straße in Nürnberg-Moorenbrunn. "Die Strecke hat 168 Kilometer und wir sind etwa zwei Stunden und 35 Minuten unterwegs", sagt Lauber, der Abteilungsleiter bei der Berufsfeuerwehr Nürnberg ist.
Die ersten Fahrer starten die Motoren ihrer schweren Feuerwehrautos. In den Ohren dröhnt es. Der erste Zug (rund 25 Fahrzeuge) setzt sich in Gang, bewegt sich auf die Tangente zu. "Es gehört viel Konzentration da zu, in einer Kolonne zu fahren", sagt der Organisationsleiter. Die Lücken zwischen den Fahrzeugen dürfen nicht zu klein und nicht zu groß sein. Hier gilt die bekannte Faustregel: Halber Tacho. Rollt der Konvoi also mit 50 Kilometer pro Stunde dahin, sollte der Abstand möglichst 25 Meter haben. "Da muss man sich aufs Augenmaß verlassen. Die Fahrer richten sich nach den Leitpfosten am Straßenrand, die haben in der Regel einen Ab stand von 50 Meter."
Kolonnenfahrten auf Deutschlands Straßen und Autobahnen sind heute nicht mehr so präsent wie noch in den 70er und 80er Jahren. Zur Zeit des Kalten Krieges rollten vor allem Militärfahrzeuge der US-Streitkräfte regelmäßig durch die Republik: zu Manövern, oder um Truppen zu verlegen. Heute prägen Konvois das Straßenbild nur dann, wenn im Katastrophenfall ein Landkreis um Hilfe ruft und in weiter entfernten Regionen Feuerwehren und Rettungsdienste von ihren Regierungen den Marschbefehl Richtung Einsatzort (Hochwasser in Deggendorf 2013 oder in Dresden 2006) erhalten.
Auf jedem Fahrzeug steckt ein Fähnchen, das aufgeregt im Wind flattert. An der Spitze des Zuges knattert ein schwarz-weißes, in der Mitte dominiert die Farbe Blau und das letzte Auto schließt mit einem grünen Fähnchen ab. Fast alle Straßentypen sind bei der Übung dabei: Autobahnen, Bundes- und Landstraßen. Im Marschbefehl, den jeder Fahrer verinnerlichen muss, stehen Vorgaben, die von der Norm abweichen. So können Sonderrechte in Anspruch genommen werden: auf den Dächern blinkt das Blaulicht. Auf Autobahnen gilt eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 70, außerhalb der Ortschaften 50 und innerorts 30.
Auf der B 14 in Großweismannsdorf schiebt sich ein schnittiger Golf zwischen die Kolonne. Außerorts überholt er erst ein Feuerwehrfahrzeug und dann noch eins. Schließlich scheint sich der Fahrer angesichts der langen Schlange in sein Schicksal zu fügen und lässt es bleiben. "Den haben wir 15 Kilometer mitgenommen", sagt später Claudia Herzog von der Freiwilligen Feuerwehr Laufamholz. Vier Stopps sind für Fahrerwechsel vorgesehen. Auch in Sengenthal bei Neumarkt hält die Kolonne an. Eine Firma hat extra dafür ihre Kantine geöffnet — und sorgt fürs leibliche Wohl der Einsatzkräfte.
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