Mann sitzt 18 Tage unschuldig hinter Gittern

10.4.2013, 21:27 Uhr
Mann sitzt 18 Tage unschuldig hinter Gittern

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18 Tage saß der Mann unschuldig in der Nürnberger Justizvollzugsanstalt. Und als er endlich entlassen wurde, war die Mutter seines Kindes die Letzte, die er gerne in die Arme geschlossen hätte: Ihre erfundene Beschuldigung hatte ihm die Freiheit genommen. Freiheitsberaubung in Tateinheit mit falscher Verdächtigung bringt der Frau nun eineinhalb Jahre Bewährungsstrafe ein. Für eine Bewährungszeit von drei Jahren bleibt sie im Visier der Justiz und erhält einen Bewährungshelfer. Zudem muss sie 100 Stunden Sozialarbeit leisten.

Rückblick: Am 27. Juli 2012 stürzte ihre damals knapp vierjährige Tochter auf einer Treppe, die Mutter ließ die Verletzungen des Mädchens im Nürnberger Klinikum versorgen, zwei Tage Krankenhausaufenthalt waren nötig. Am 31. Juli zeigte die Frau ihren Freund an und behauptete, er habe das Mädchen geschlagen und geschüttelt.

Polizist war misstrauisch

Eine „Story“, die ihm, so erinnert sich ein Polizist im Zeugenstand, „von Anfang an seltsam“ vorkam. Dennoch hatte der Beschuldigte schlechte Karten: Er ist vorbestraft und stand unter laufender Bewährung. Der Staatsanwalt beantragte Haftbefehl, wegen der mutmaßlichen Misshandlung von Schutzbefohlenen wurde ermittelt. Die Polizei forderte Patientenakten aus dem Klinikum an, ein Rechtsmediziner sollte das Kind untersuchen. Später stellte sich heraus, dass das Verletzungsbild weniger zu den angeblichen Schlägen als zu dem Treppensturz passte.

Und während der Justizapparat lief, besuchte die 23-Jährige ihren Freund im Gefängnis; später meldete sie sich bei der Polizei. Zwar rückte sie nicht mit der Wahrheit heraus, jedoch wollte sie ihren Strafantrag zurücknehmen.

So einfach ist das nicht. Denn im Strafgesetzbuch wird zwischen Antragsdelikten und Offizialdelikten unterschieden: Wer, etwa im Straßenverkehr durch die „Scheibenwischer-Geste“, beleidigt wird, muss Strafantrag stellen, um zu erreichen, dass die Tat verfolgt wird. Wer diese Beleidigung wenige Tage später doch nur für eine Bagatelle hält und sich eingesteht, vielleicht selbst im Auto hitzköpfig zu agieren, kann diese Anzeige wieder zurückziehen.

Dagegen wird ein Offizialdelikt, und dazu gehört die Misshandlung von Schutzbefohlenen, stets von Amts wegen verfolgt. Spielraum hat die Staatsanwaltschaft nur bei einigen Delikten, etwa einer einfachen Körperverletzung. So kommt es regelmäßig vor, dass Frauen, die sich wegen ihrer gewalttätigen Ehemänner an die Polizei gewandt haben, ihre Anzeigen später zurückziehen. Ob die Staatsanwaltschaft trotzdem das besondere öffentliche Interesse an Strafverfolgung sieht, liegt im Ermessen der Behörde.

Im aktuellen Fall meldete sich die 23-jährige Nürnbergerin einige Tage später erneut bei der Polizei, ihr Freund schmorte weiter in der U-Haft. Doch nun räumte sie ein, dass sie gelogen hatte. „Solche Taten können auch an der Glaubwürdigkeit derjenigen rütteln, die wirklich Opfer häuslicher Gewalt wurden“, hält Amtsrichterin Helga Kastner der Angeklagten vor.

Vor Gericht gibt es in vielen Fällen für eine Straftat nur einen Zeugen, etwa das Opfer selbst. Dann steht „Aussage gegen Aussage“: Der Angeklagte beteuert seine Unschuld, der Zeuge belastet ihn. Daraus folgt keinesfalls automatisch ein Freispruch – sonst blieben viele Straftaten ungesühnt. Sind die Indizien schlüssig, kann das Gericht auch dem mutmaßlichen Opfer glauben.

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