Menschenrechtspreisträger "Caesar" besuchte Nürnberg
1.10.2017, 12:05 UhrTrotz der Bedrohung, die für den diesjährigen Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises von Schergen des syrischen Diktators ausgeht, "bin ich sehr glücklich, hierher gekommen zu sein. Es ist eine Ehre, den Oberbürgermeister getroffen zu haben."
Bei dem geheimen Treffen wurde "Caesar", der mit Hilfe von Vertrauten und einem Netzwerk der syrischen Opposition zwischen 2011 und 2013 mehr als 50000 Bilder von Teils unter schrecklichster Folter ermordeten Menschen kopierte und schließlich außer Landes schmuggelte, die Urkunde und der Preis noch einmal persönlich überreicht.
Gemeinsam mit OB Ulrich Maly sahen sich er und sein Begleiter Fotos von der offiziellen Preisverleihung am vergangenen Sonntag an. Dort nahm die französische Journalistin Garance Le Caisne den mit 15.000 Euro dotierten Preis für den Mann entgegen, der sich an einem unbekannten Ort in Nordeuropa aufhält und nach eigenen Angaben unter der Identität "eines normalen syrischen Flüchtlings mit einem ganz normalen Alltag" mit Angehörigen lebt, seitdem er vor drei Jahren mit den Beweisen für ein systematisches, grausames Morden in syrischen Gefängnissen außer Landes floh.
"Jeder weiß, was Nürnberg für die Menschenrechte bedeutet", sagt er im knapp einstündigen Interview mit den Nürnberger Nachrichten. Was im Zweiten Weltkrieg unter Hitler und in den Konzentrationslagern passiert sei, geschehe in vergleichbarer Form gerade in Syrien. Pro Stunde würden weiterhin "drei bis vier Menschen" in den syrischen Gefängnissen zu Tode gefoltert oder hingerichtet, ergänzt Caesars Begleiter. "Seit vier Jahren kämpfen wir um internationales Gehör".
Er und Caesar leiden nach eigenen Angaben vor allem unter der Tatsache, dass es das Regime weiterhin gibt, "die Welt weiter zuschaut", obwohl durch ihr Engagement seit Jahren bekannt sei, mit welchen Mitteln Assad Krieg gegen das eigene Volk führe. "Es ist nicht leicht, es liegen viele Steine im Weg, aber wir müssen unser Ziel erreichen", sagt Caesar: Die Täter, von Assad bis hinunter zu den Folterknechten in den Lagern müssten alle vor Gericht gestellt und verurteilt werden, sagt Caesar.
"Sie wollen nur in Freiheit leben"
"Wir haben in Syrien immer unter einer Diktatur gelebt, es wurden schon immer Leute ins Gefängnis gebracht, um andere abzuschrecken. Aber jetzt soll das Volk nicht nur unter Angst leben, sondern sterben. Die Ermordung in den Gefängnissen folgt einem Plan. Früher wurden täglich zehn Fotos von Leichen gemacht, später 100 und diejenigen die ermordet werden, sind nicht politisch. Sie wollen nur in Freiheit leben. Das genügt in Syrien als Grund, ermordet zu werden".
Bei seinem wenige Tage dauernden, geheimen Aufenthalt in Nürnberg, der am gestrigen Sonntag endete, besuchten Caesar und sein Vertrauter auch den Saal 600 und das Memorium Nürnberger Prozesse. Die Verleihung des Nürnberger Menschenrechtspreises habe ihnen Hoffnung gemacht, sagen beide. Darauf, dass eines Tages, vielleicht auch erst dann, wenn sie nicht mehr am Leben seien, die Verantwortlichen vor ein Gericht gestellt werden und sich wie einst die Nazis für ihre Verbrechen verantworten müssen.
Über 90 Familien sind bereit, auszusagen
Dabei wissen sie, dass es keine Anklage vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag geben wird, weil die Regierung in Damaskus das Statut zur Gründung der Instanz seinerzeit nicht unterzeichnet hat. Dennoch haben Anwälte in ganz Europa auf Basis der Fotos ihre Arbeit aufgenommen, sichern die Beweise, überprüfen Identitäten von Opfern möglichen Verantwortlichen. Über 90 Familien, die ermordete Angehörige auf den Fotos identifiziert haben, sind bereit, in Drittländern Aussagen zu machen. Eine wichtige Vorbereitung für spätere Prozesse.
Eine Festplatte mit Originalfotos wurde am vergangen Donnerstag von Caesar auch dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übergeben. "Die Leichen, die ich fotografiert habe, haben mir einen Auftrag gegeben. Weil sie selber nicht mehr sprechen können, müssen wir ihr Schicksal bekannt machen und vor Gericht bringen", so Caear. Hoffnung darauf, noch einmal in seine Heimat zurückzukommen, habe er zwar nach wie vor.
Doch im Moment fällt ihm wie auch seinem Vertrauten der Gedanke an eine Rückkehr in ein Land, "das im Blut schwimmt", schwer. "Ich danke dem deutschen Volk", sagt Caesar zum Ende des Gesprächs. Die deutschen und die Politiker hierzulande hätten viel für syrische Flüchtlinge getan, "sie in ihr Herz aufgenommen. Deutschland hat für die Syrer die Tür weit aufgemacht, zu einer Zeit, zu der andere Länder die Türen zugemacht haben".
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