Ministerin Kiechle: TU Nürnberg soll sich an Top-Unis orientieren
14.8.2018, 11:10 UhrFrau Kiechle, bleibt es bei den sechs inhaltlichen Zukunftsfeldern der geplanten Technischen Universität Nürnberg (TUN)? Es gibt Stimmen, die sagen, dass man diese Bereiche auch an anderen Unis studieren kann.
Marion Kiechle: Biological Engineering? Wo können Sie das denn studieren? Die Fächer sind innovativ und Megathemen der Technik, sie wurden von den Experten der Strukturkommission für die Gründung der Universität definiert und sie können die Fächer so auch nicht an anderen Universitäten studieren. Das wirklich Neue an dem Konzept ist der Aufbau. Und: Es wird keine klassischen Fakultäten mehr geben.
Die TUN soll anders organisiert werden. Worin besteht der Modellcharakter?
Kiechle: Die Friedrich-Alexander-Universität ist im technischen Bereich sehr gut aufgestellt. Aber sie ist eine Universität, die nach den klassischen Strukturen gegliedert und in Fakultäten aufgeteilt ist. Es geht bei der Universität Nürnberg um die Verbesserung der Lehre, die zentral organisiert wird. Es werden sozial- und geisteswissenschaftliche, juristische und unternehmerische Themen eingebaut. Die Studenten sollen außerdem lernen, wie man ein Unternehmen gründet. Es sollen keine reinen Technikspezialisten ausgebildet werden. Sie müssen sich auch interkulturell gut auskennen, damit sie beispielsweise Geschäfte mit Japanern machen können. Neu ist auch, dass die Lehre digital auf das Inverted Classroom-Konzept zugeschnitten wird: Am Anfang der Woche bekommt der Student zum Beispiel eine Aufgabe, die er unter Nutzung digital aufbereiteter Materialien zu lösen hat und am Freitag wird das Thema mit dem Professor abgearbeitet.
Wird die Leitung der TUN mehr Unabhängigkeit bekommen als die an anderen Universitäten? Etwa bei der Vergabe von Mitteln und wird sie unternehmerisch tätig sein können?
Kiechle: Bislang ist das im Eckpunktepapier nicht enthalten. Das endgültige Konzept erhalten wir im Herbst und es wird dem Wissenschaftsrat zur Begutachtung übergeben.
Es ist Kritik an den geplanten Betreuungsrelationen der TUN laut geworden. In Nürnberg sollen auf einen Wissenschaftler 25 bis 30 Studenten kommen, in Bayern sind es durchschnittlich 70 und außerhalb Bayerns sind es zum Teil 90. Der Vorwurf: Nürnberg wird bevorzugt.
Kiechle: Die Kommission für die Einrichtung der Universität muss von den Idealen einer Top-Universität ausgehen. Wir sollen uns nach oben und nicht nach unten orientieren. Wenn wir am Ende bei einem Betreuungsschlüssel von eins zu 50 enden, ist das ein Fortschritt. Die Universität wird Modellcharakter haben. Wenn sich etwas bewährt, dann wird es sicherlich auf andere Hochschulen übertragen werden. Im Übrigen hat auch schon der Wissenschaftsrat festgestellt, dass der Betreuungsschlüssel in Deutschland besser werden muss.
Wird für die TUN das Hochschulgesetz geändert? Welchen Einfluss hat der Wissenschaftsrat bei der Begutachtung des Konzepts?
Kiechle: Wir brauchen ein Hochschulerrichtungsgesetz für die Universität in Nürnberg. Die letzte Universitätsgründung war 1978 in Passau. Der Wissenschaftsrat ist wie eine Art TÜV. Er kontrolliert das Konzept und es kann schon sein, dass er an der einen oder anderen Kante noch feilt. Das ist eine Qualitätskontrolle, auf die wir nicht verzichten wollen.
Die Erziehungswissenschaften sollen in Nürnberg bleiben: Wo ist der Neubau geplant?
Kiechle: Noch ist das Grundstück nicht gefunden. Es wird aber auf jeden Fall ein Grundstück im Nürnberger Norden sein, mit guter Anbindung an das geisteswissenschaftliche Zentrum in Erlangen (im Gespräch ist das Schöller-Areal am Nordwestring, d. Red.). Die Erziehungswissenschaften sind in Nürnberg erfolgreich. Warum sollten wie sie verlagern? Dafür gibt es keinen Grund.
Bayerns Schauspiel- und Opernhäuser kommen in die Jahre und müssen teuer saniert werden – auch in Nürnberg. Das Opernhaus ist marode. Wird der Freistaat mit Sonderquoten bei den Zuschüssen die Sanierung vorantreiben?
Kiechle: Der Freistaat wird die Sanierung unterstützen. Aber die Stadt Nürnberg ist Eigentümerin der Liegenschaften.
Hatten Sie schon einen Termin bei der Nürnberger Kulturreferentin Julia Lehner, wie der Freistaat die Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt unterstützen kann?
Kiechle: Ich kann die Bewerbung nur unterstützen, wenn mir ein Konzept vorliegt. Das habe ich bislang aber nicht. Das Thema Kulturhauptstadt habe ich noch nicht mit der Nürnberger Kulturreferentin Lehner besprochen. Ich freue mich aber darauf, wenn ich die Bewerbung unterstützen kann.
Welche Themen und Projekte wollen Sie in den Bereichen Kultur und Wissenschaft voranbringen?
Kiechle: Ich habe mich als Ärztin sehr viel mit an Krebs erkrankten Frauen beschäftigt. Ich möchte deshalb ein Bayerisches Krebsforschungszentrum als Plattform etablieren. Wir haben eine hervorragende universitäre Medizin, aber wenn man die Kräfte bündelt, dann könnte man noch mehr erreichen. Wir brauchen nicht nur die Bündelung der Forschungsergebnisse, sondern auch eine bessere Vermittlung der Ergebnisse. Wir müssen auch die Angehörigen von Krebskranken unterstützen und ihnen objektive und unterstützende Informationen geben. Wir brauchen auch Einrichtungen und Strukturen, die sich um die Anwendung von neuen Medikamenten und Therapien kümmern. Das fehlt an allen Universitäten. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache und viele Menschen haben Angst davor. Ich möchte ihnen die Angst nehmen.
Viele Menschen haben auch Angst vor neuer Technik wie Robotern, vor Innovationen, vor Klimawandel, vor Künstlicher Intelligenz. Diese Umbrüche müssen wir besser erklären. Wissenschaftler müssen ihre Neuerungen den Menschen verständlicher beibringen. Wir müssen den Menschen den Klimawandel erklären und sagen, die Wissenschaft kann ganz erheblich dazu beitragen, das Problem zu lösen, technisch und argumentativ, z. B. durch Überzeugungsarbeit in Politik, Wirtschaft und der Bevölkerung.
Das ist mutig.
Kiechle: Das sind wir den Menschen schuldig. Bei der Technischen Universität Nürnberg ist das Ziel, wissenschaftliche Ergebnisse besser zu vermitteln, im Konzept enthalten. Wir haben die Autonomie der Hochschulen. Ich kann nur an die Wissenschaftler appellieren, mir zu folgen. In der Kunst würde ich gerne eine Symbiose zwischen Technik und Kunst schaffen. Digitalisierung ist in der Kunst genauso wichtig: zum einen soll die Kunst, die wir haben, auch für künftige Generationen erhalten werden. Deshalb muss die Digitalisierung von Büchern weiter vorangetrieben werden, um sie Forschern weltweit zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Seite können wir mit der Digitalisierung die Kunst den Menschen näherbringen und sie mit neuer Technik durch Museen und Ausstellungen führen. Über Digitalisierung kann auch das immaterielle Kulturerbe zugänglich gemacht werden. Ein Anfang wird mit dem Museum für Bayerische Geschichte gemacht, das speziell dafür eine Abteilung bekommt.
Sie hatten einen sehr guten Arbeitsplatz: Warum der Wechsel in die Politik?
Kiechle: Ich bin sehr lange als Ärztin tätig gewesen. Seit 2000 war ich Direktorin der Frauenklinik am Klinikum rechts der Isar der TU München und damit die erste Lehrstuhlinhaberin für Gynäkologie in Deutschland. Bayern hat mir so viel ermöglicht, dass ich etwas zurückgeben möchte. Ich möchte das Wissenschaftsministerium sehr gerne lange leiten, aber ich habe ein Rückkehrrecht.
Wie wollen Sie Frauen besser fördern, damit sie im Wissenschaftsbetrieb nicht nur inhaltlich, sondern auch institutionell erfolgreich sind?
Kiechle: Ich kann den Hochschulen nichts vorschreiben und ich werde mich auch nicht in die Hochschulautonomie einmischen, aber ich kann Anreize schaffen. Ich finde es schade, dass wir so viele gut ausgebildete Frauen zwischen 30 und 35 an den Hochschulen verlieren. Wir werden die Frauen-Förderprogramme weiter ausbauen, denn wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Ziel ist, dass zumindest 30 Prozent Professorinnen an den Hochschulen sind. Derzeit liegen wir in Bayern bei 19 Prozent. Wenn der Frauenanteil in einem Team bei 30 Prozent liegt, dann wird viel dynamischer agiert. Gemischte Teams sind erfolgreicher als vom Geschlecht her einseitig ausgerichtete Teams. Es braucht den männlichen und den weiblichen Blick.
Bei der Technischen Universität Nürnberg ist das Ziel, wissenschaftliche Ergebnisse besser zu vermitteln, im Konzept enthalten. Ich kann nur an die Wissenschaftler appellieren, mir zu folgen.
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