Nach Attacken: Klinikum Nürnberg investiert in Sicherheit
16.1.2019, 06:00 UhrPatienten schlagen auf der Station vor Wut die Spritzenpumpe oder andere Geräte kaputt. In der Psychiatrie attackiert einer unvermittelt die Pflegekraft. Angehörige versuchen mit Druck und Drohungen durchzusetzen, dass ein Patient vor allen anderen behandelt wird.
"Die Einsicht, dass noch andere Kranke versorgt werden müssen, schwindet", sagt A. Röttenbacher, der seinen Vornamen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der frühere Polizist fürchtet, dass ihm Patienten oder Angehörige, die er zurechtweisen musste, Übles wollen könnten. Röttenbacher leitet die im Februar 2018 eingerichtete interne Sicherheitsabteilung am Klinikum.
Sorge um Mitarbeiter
Zuvor befassten sich im Klinikum mehrere Abteilungen mit Sicherheitsfragen. Jetzt laufen die Fäden bei Röttenbacher und seinen fünf Kollegen zusammen. "Der Klinikumsleitung ist es wichtig, die Mitarbeiter zu schützen", sagt die Leiterin der Unternehmenskommunikation, Barbara Lay. Deshalb habe der Vorstand im Herbst 2018 beschlossen, mehr für die Sicherheit auszugeben. Bislang waren es jährlich 600.000 Euro, jetzt ist es eine Million.
Auch die Zahl der Sicherheitskräfte, die seit Ende 2013 nachts und am Wochenende rund um die Uhr in der großen Intensivstation des Nordklinikums sowie in der Notaufnahme im Süden Dienst tun, soll steigen. Bislang sind es insgesamt vier, "aktuell sind zwei neue Stellen ausgeschrieben", sagt Röttenbacher. Ziel sei ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr. Das geht nur mit mehr Leuten.
Eine Sicherheitskraft, die tagsüber auf dem Gelände des Nordklinikums unterwegs ist, kann laut Lay von Pflegekräften und Ärzten zu schwierigen Situationen hinzugerufen werden. Häufig komme es in der Psychiatrie zu Zwischenfällen. Unlängst hatten Mitarbeiter die Security vorsorglich zu einem Patientengespräch gebeten. Die Situation habe sich dennoch so zugespitzt, dass der Sicherheitsdienst-Mitarbeiter verletzt wurde.
Auf der Intensivstation im Nordklinikum landen auch die Konsumenten von Chrystal Meth und anderen Drogen. Viele von ihnen werden von der Polizei gebracht und seien so enthemmt, dass sie kaum unter Kontrolle zu bringen seien, sagt Röttenbacher. "Die Probleme mit den Drogensüchtigen werden nicht weniger, zugleich steigt die Gewaltbereitschaft von Patienten insgesamt, das fängt schon bei der Aufnahme in die Klinik an."
Seit Kollegen Vorkommnisse im Intranet unkompliziert melden könnten, auch anonym, steige die Zahl der registrierten Übergriffe. Röttenbacher ist immer wieder erschrocken über die Unverfrorenheit. Als er einen Patienten, der Pflegekräfte auf der Station immer wieder beleidigt hatte, darauf hinwies, dass das so nicht gehe, habe der völlig unbeeindruckt geantwortet: "Das ist mir egal, ich mach’ das weiter." Im Durchschnitt spricht das Klinikum Nürnberg einmal pro Monat ein Hausverbot aus. "Aber im Notfall können wir die Behandlung nicht verweigern", sagt Röttenbacher. Es gebe einige "Problemfälle", aggressive Patienten, die in anderen medizinische Zentren oder Praxen schon gar nicht mehr angenommen werden. "Vielleicht wollen die auch gar nicht wieder zu uns, wenn der Sicherheitsdienst immer wieder neben ihrem Bett steht", hofft er.
60 Diebstähle
Hinzu kommen Diebstähle – aus Personalräumen auf den Stationen, "auch Büros werden aufgebrochen und Laptops geklaut". Seltener seien Langfinger in Patientenzimmern unterwegs. Für 2018 spricht Röttenbacher von 60 Diebstählen.
Das neue Sicherheitskonzept umfasst nicht nur zusätzliches Personal, sondern auch mehr Videoüberwachung "in kritischen Bereichen". Näheres will das Klinikum dazu nicht sagen – aus Sicherheitsgründen. Außerdem wird das Personen-Notruf-System, mit dessen Hilfe Mitarbeiter per Telefon Hilfe rufen können, ausgebaut. Und das Schließsystem wird modernisiert – weg von altmodischen Schlüsseln, hin zu einem elektronischen Chip-System. Wenn jemand einen Chip klaut, kann dieser gesperrt werden. Auf dem weitläufigen Gelände im Norden haben die Chips den weiteren Vorteil, dass sie zeitlich programmiert werden können: Wenn eine Tagesklinik um 17 Uhr schließt, "sind die Türen dann auch zu", sagt Röttenbacher.
Auf dem jederzeit frei zugänglichen Areal des Nordklinikums suchen immer wieder Obdachlose einen Platz zum Aufwärmen oder Schlafen. Das sei ein offenes Geheimnis, sagen Mitarbeiter. Als vor kurzem die Bereitschaftspolizei unter anderem das Dr.- Hans-Birkner-Haus auf Spuren des Messerstechers von St. Johannis durchsuchte, der im Dezember drei Frauen mit einem Messer schwer verletzt hatte und in Nürnberg keine feste Unterkunft hatte, war auch Röttenbacher dabei.
"Wenn Obdachlose auf dem Klinikumsgelände auf einer Bank schlafen oder Alkohol trinken, fordern wir sie auf zu gehen, das tun sie dann auch. Sie sind kein Sicherheitsproblem." Die Polizei habe keine Hinweise auf Übernachtungsplätze im Klinikum gefunden. Das widerlegt aus Röttenbachers Sicht die Beobachtungen von Mitarbeitern, dass Obdachlose in Kellern oder sogar in Stationsräumen schlafen. "Wenn das so ist, sollen uns das die Kollegen bitte melden."
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