Nazi-Demo in Nürnberg: Heftige Kritik an Stadt und Polizei
4.7.2018, 16:55 UhrWie berichtet, meldete eine Thüringerin die Kundgebung unter dem Motto "Freiheit für alle politischen Gefangenen, für die Abschaffung des Paragrafen 130 StGB" (Volksverhetzung) an. Mehr als 200 Teilnehmer kamen und zogen martialisch vom Rathenauplatz zum Willy-Brandt-Platz. Die Inhalte einiger Reden waren mit Hassparolen gegen das jüdische Volk und Leugnungen des Holocaust gespickt. Bei der Abschlusskundgebung der Rechtsradikalen, die sich vis-à-vis des früheren Hauses von NSDAP-Gauleiter Julius Streicher aufstellten, zeigte Alfred S. zum Ende seiner Rede unmissverständlich den Hitlergruß.
Der Kanadier ist als Antisemit bekannt. Seit diesem Montag steht er mit seiner Schwester Monika in München wegen Volksverhetzung in 14 Fällen vor dem dortigen Landgericht. Weil man Fluchtgefahr vermutete, kam er für eine Nacht in U-Haft. Im Schreiben des IKG-Vorstandes an OB Ulrich Maly heißt es: Alfred S. "drohte seinen Richtern mit dem Tod: ,Sie werden hängen am Hals bis zum Tode, wenn sie uns schuldig sprechen.’"
Die Äußerungen der Neonazis während der Kundgebung am Samstag seien voll "mit abscheulichen und widerwärtigen Anwürfen gegen das jüdische Volk" gewesen. "Wir waren bisher der festen Überzeugung, dass so etwas in diesem unseren Lande und vor allem in Nürnberg, der Stadt der Menschenrechte, nicht mehr möglich wäre. Leider haben wir uns getäuscht. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen den Verlautbarungen dieser Ewiggestrigen und dem, was die Nazi-Verbrecher vor 80 Jahren gegrölt haben [ . . . ]. Wir bitten Sie dringend, auf die Verwaltung der Stadt Nürnberg einzuwirken, damit solche Veranstaltungen in Zukunft nach Möglichkeit nicht genehmigt werden."
Maly spricht von "grausigem Ereignis"
Auf NN-Anfrage spricht Oberbürgermeister Ulrich Maly selbst von einem "grausigen" Ereignis. "Diejenigen, die das zu verantworten haben, werden in Nürnberg nie wieder eine Genehmigung für eine Demo erhalten." Rückblickend hätten die Teilnehmer gegen einige Auflagen verstoßen. Maly erinnert an das Motto "Nürnberg hält zusammen", mit dem sich IKG, Stadt, Kirchen und Gewerkschaften aufstellen, um auf Gegendemos gemeinsam deutliche Zeichen zu setzen, dass sich die Stadt nicht spalten lässt und niemand diskriminiert und ausgegrenzt werden darf. "Das hat diesmal nicht geklappt, daran müssen wir arbeiten."
Warum die Kundgebung nicht beendet wurde? In einer Pressemitteilung der Polizei heißt es: "Bei der Versammlungsfreiheit handelt es sich um ein hohes Gut, so dass die Auflösung einer Versammlung nach ständiger Rechtsprechung hohen Hürden unterliegt." Nach einem möglicherweise strafrechtlich relevanten Redebeitrag habe die Einsatzleitung die Versammlungsleiterin aufgefordert, diese Rede "unverzüglich zu unterbinden". Als das passieren sollte, war der Beitrag bereits beendet. Die Kripo Nürnberg hat Ermittlungen aufgenommen. Zurzeit werden sämtliche Redebeiträge der Versammlung auf strafrechtlich relevante Inhalte geprüft.
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