Neue EU-Regel lässt die bayerische Polizei verzweifeln
10.5.2017, 05:42 UhrEin Mann versucht in ein Haus einzubrechen. Zeugen beobachten den Vorgang und reagieren schnell. Die Polizei nimmt den Verdächtigen nicht weit vom Tatort entfernt fest. Sie stellen auch sein Handy sicher. Das Alltagsutensil darf die Streife als "Notfalltransport" noch zur nächsten Dienststelle fahren. Doch ab dort gelten andere Vorschriften: Das Mobiltelefon muss nun als Gefahrgut behandelt werden.
Das heißt: Soll das Gerät zur nächsten Dienststelle oder Staatsanwaltschaft gebracht werden, muss es für den Transport in einen speziellen Karton gepackt werden. Der Beamte muss die Schachtel mit einem Extra-Klebeband schließen, Warnaufkleber draufpappen, einen Zettel mit der Gefahrgutklasse und ein Beförderungspapier ausfüllen.
Im Polizeipräsidium München hat man errechnet, dass die Verpackerei eines Asservats eine Viertelstunde dauert - und das bei mehreren Tausend Versandstücken pro Jahr. Bisher waren die Polizeibehörden von den strengen EU-Regeln bei Gefahrgut ausgenommen. Doch 2012 wurde die Regelung auf den Freistaat "heruntergebrochen". Am 30. Oktober 2013 wurden die Polizeiverbände aufgefordert, alles für die Umsetzung der Vorschrift vorzubereiten, seit Herbst 2016 ist es in einigen Präsidien Realität.
Italien und Frankreich sind ausgenommen
"In Nürnberg und München wird das besonders vorangetrieben", sagt Rainer Nachtigall, Vorsitzender des Arbeitskreises Polizei und Innere Sicherheit im CSU-Bezirksverband Nürnberg, Fürth, Schwabach. Doch das EU-Recht greift nicht in allen Ländern der Union. So zählen die italienischen Carabinieri und die französische Gendarmarie zu den dortigen Streitkräften. Die Polizeibehörden sind deswegen von den Vorschriften ausgenommen.
Bei den Handys findet Nachtigall die Regelung besonders kurios. "Für das private Smartphone und das dienstliche Mobiltelefon, das die Polizisten dabeihaben, gelten diese Vorschriften aber nicht", wundert er sich. Am vorigen Freitag hat der AK Polizei und Innere Sicherheit einen Antrag für die CSU-Landesleitung verfasst. Das Innenministerium werde darin gebeten, "alle Anstrengungen zu unternehmen, die Polizei von den Regelungen über den Transport gefährlicher Güter weitestgehend freizustellen".
Auch das Münchner Polizeipräsidium hat sich beim Innenministerium für Ausnahmen eingesetzt, weil die Vorschriften bei den dortigen Beschäftigten auf wenig Gegenliebe stoßen. Nach Informationen der Lokalredaktion der Nürnberger Nachrichten ist der Ärger der Kollegen in Mittelfranken ähnlich groß. Beim Innenministerium sei die Problematik "bereits entsprechend kommuniziert worden", heißt es in der Pressestelle des Nürnberger Präsidiums.
Aus dem Ministerium ist zu hören, dass sich bisher "nur das Münchner Präsidium offiziell über den Mehraufwand beschwert hat". Pressesprecher Michael Siefener sagt, dass diese Regel im gewerblichen Bereich auch für Spediteure gilt. "Wir wollen ja keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die Polizei soll sich nach geltendem Recht richten." Doch ist hier noch nicht das letzte Wort gesprochen. "Die Vorgaben sind auf europäischer Ebene geregelt. Wir versuchen, die Spielräume zu nutzen. Dazu werden wir uns mit den Polizeipräsidien an einen Tisch setzen und darüber sprechen."
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