Nürnberg: Trauern seine Artgenossen um toten Gorilla Fritz?
5.9.2018, 06:00 UhrAls der schwerkranke, 55 Jahre alte Silberrücken vor zwei Wochen eingeschläfert werden musste, war das Affenhaus für das Publikum gesperrt. Die vier weiblichen Menschenaffen sollten Zeit haben, den Tod von Fritz ohne Störung von außen zu verarbeiten.
Während die beiden älteren Gorillas die Situation sofort erfasst und den Käfig rasch verlassen haben, konnten es die Jungtiere Luna und Habibu nicht begreifen. Sie schnupperten den 180 Kilogramm schweren Kadaver vorsichtig von oben bis unten ab. In der ersten Stunde haben die beiden Junggorillas Fritz überhaupt nicht berührt, sie setzten sich einfach nur neben ihn.
Später stupste Luna den leblosen Menschenaffen an und versuchte, ihn zu einer Reaktion zu motivieren. "Als nichts passierte, sprang Luna auf dem toten Fritz herum und biss ihn später in Arme und Beine, um eine Antwort zu provozieren. Aber natürlich kam nichts mehr", berichtet Revierleiterin Ramona Such, die im Tiergarten seit 18 Jahren für die Gorillas zuständig ist. Nach über vier Stunden haben die Zoo-Mitarbeiter die Aktion beendet.
Luna wirkte auf Pflegerin Such verwirrt: "Sie kam mit der Situation nicht klar. Auch Habibu war sehr unsicher und hat später weiter nach Fritz gerufen." Die Revierleiterin meint aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung, Gefühle wie Trauer, Frust, Ausgelassenheit oder Freude bei ihren Gorillas deutlich wahrzunehmen. "Sie sind uns Menschen eben sehr ähnlich."
Abschiednehmen im Zoo
Das Ritual des Abschiednehmens hält der Zoo am Schmausenbuck auch bei den Tieren für sehr wichtig, damit sie die Situation erfassen und anschließend in den Alltag zurückkehren zu können. Der Tiergarten praktiziert das seit vielen Jahren - egal, ob es Löwen, Orang Utans oder Nashörner sind.
"Wir müssen trotzdem aufpassen, dass wir nicht alles zu sehr mit unseren Augen sehen. Bei Gefühlen schließen wir oft zu sehr von uns Menschen auf die Tierwelt", meint Veterinärin Katrin Baumgartner. Ob Gorillas tiefe Trauer wie die Menschen empfinden, lasse sich aus Sicht der Ärztin nicht sagen: Schließlich könne niemand in die Affen hineinschauen.
Die Medizinerin registriert dagegen eindeutig Empfindungen wie Aufregung und Schmerz bei ihren Patienten. Nervosität und Anspannung lassen sich wissenschaftlich messen: Der Cortisol-Spiegel im Speichel von Delfinen oder im Blut von Tigern und Giraffen gibt Auskunft.
Zwei Doktorarbeiten werten gerade das Stresshormon in Federn von Flamingos und Pelikanen aus. Auch Eisbär Felix wurde zwei Jahre lang an derselben Stelle rasiert, um seinen inneren Erregungszustand zu untersuchen. "Die Werte waren hoch, wenn er ein Eisbär-Weibchen traf. Aber es wäre ja verwunderlich, wenn es nicht so wäre", sagt Baumgartner lachend.
Und heftige Emotionen wie Wutausbrüche, kennt sie diese im Tierreich? Die Wissenschaftlerin differenziert: Aggressionen, um das Revier zu verteidigen ließen sich ebenso nachweisen wie Dominanzgehabe. Aber Wut? "Nein, das ist ein menschlicher Luxus", meint die Veterinärin, "dabei vergeudet man nur Energie. Das gibt es bei Tieren nicht." Sie könnten sich eine derartige Kraftverschwendung beim Überlebenskampf in der Wildnis nicht leisten.
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