Nürnberger Historiker äußert sich zu Nazi-Filmen auf Youtube
2.3.2014, 11:29 UhrDer Film "Hitlerjunge Quex" wurde 1933 uraufgeführt, wenige Monate nach der Machtergreifung der Nazis. Es war der erste Propagandafilm, der vom neuen NS-Staat gefördert wurde, und er macht Werbung für den Nationalsozialismus. Danach gab es noch viele weitere solche Filme, die nach dem Krieg von den Alliierten verboten wurden.
Heute dürfen sie nur unter bestimmten Voraussetzungen gezeigt werden, im Internet sind aber viele frei zugänglich. Der Nürnberg Historiker Pascal Metzger erklärt in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa, was es mit den NS-Machwerken auf sich hat.
Was sind "Vorbehaltsfilme"?
Pascal Metzger: Sie dürfen in Deutschland zur wissenschaftlichen Auswertung verwendet werden und im Rahmen der politischen Bildung. Öffentlich dürfen sie nur unter dem Vorbehalt gezeigt werden, dass jemand in die Thematik einführt und die propagandistischen Absichten aufdeckt und dass danach über den Film diskutiert werden kann. Sie sind nicht zur kommerziellen Verwertung gedacht. Es gab einmal etwa 200 dieser Filme in Deutschland. Inzwischen stehen noch knapp 40 auf der Vorbehaltsliste.
Wie kommt es zu diesem Rückgang?
Metzger: Der 1966 gegründeten Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung wurden die Rechte am ehemals reichseigenen Filmerbe übertragen. Die Stiftung überprüft alle paar Jahre die Filmbestände daraufhin, was sie freigeben kann. Es gibt verschiedene Kriterien, um festzumachen, ob ein Film rassistisch oder kriegsverherrlichend ist, ob er den Nationalsozialismus verherrlicht oder andere Rassen oder Völker diskriminiert. Generell standen auf der Liste zunächst Filme, in denen viele Hakenkreuze zu sehen sind. Diese hat man dann beschnitten um ein paar Szenen und sie somit entnazifiziert.
Was für Filme sind das überhaupt?
Metzger: Es sind in der Regel Spielfilme, die Themen sind ganz bunt gemischt, auch die Genres. Es sind Kriminalfilme, Revuefilme, man hat historische Stoffe umgesetzt oder neue Drehbücher geschrieben.
Viele dieser Filme sind inzwischen im Internet frei zugänglich. Sollten sie dann nicht ganz freigegeben werden?
Metzger: Das ist wirklich schwer zu ermessen. Die Hauptargumente, diese Filme weiter nur unter Vorbehalt zu zeigen, sind, dass darin Stereotype oft nur unterschwellig zum Ausdruck kommen und man diese akzeptiert, ohne es zu merken. Der historisch Unkundige könnte daraus die falschen Schlüsse ziehen. Solche Filme sind genauso wie "Mein Kampf" nicht nur Filme oder ein Buch, sondern es sind Symbole für ihre Zeit. Ein Verbot heißt, dass man ein Zeichen setzt, dass man diese Symbole nicht weiter duldet. Wir verbieten auch Hakenkreuze und den Hitlergruß, weil sie ein Symbol sind.
Und was spricht gegen den Vorbehalt?
Metzger: Diese Filme stammen aus einer ganz anderen Zeit. Vieles ist ganz klar als Propaganda erkennbar. Es gibt auch das Argument, dass man diese Propaganda den Leuten nicht vorenthalten sollte, dass sich jeder darüber informieren können muss und Künstler das Ganze verarbeiten können sollen. Das Interesse ist da, man kann an diese Filme über das Internet oder das Ausland kommen. Der Vorbehalt ist also de facto schon unterlaufen, und man will keinen weiteren Kult schaffen, indem man das Verbot aufrecht erhält.
Wie funktioniert die Propaganda in den Filmen überhaupt?
Metzger: Etwa der "Hitlerjunge Quex" sendet folgende Botschaft: Der Jugendliche wird im nationalsozialistischen Staat wertgeschätzt, ihm wird mit der Hitlerjugend ein Ideal angeboten, ihm wird ein besseres Leben versprochen und politische Mitwirkung. Man erkennt heute auch als Jugendlicher sofort, dass der Film etwas von einem möchte, dass er einen in eine bestimmte Richtung lenken möchte. Doch manche Botschaften sind auch nicht offensichtlich. Die Hitlerjungen etwa sind alle ordentlich, sauber und diszipliniert. Die kommunistischen Jugendgruppen dagegen sind dreckig und undiszipliniert.
Wie reagieren die Zuschauer heute auf diese Filme?
Metzger: Solche Filme wirken zum Teil sehr emotional. Es kommt vor, dass Leute weinen. Manche gehen auch während des Films, was ich nachvollziehen kann. Manche werden aggressiv. Es gibt auch Jugendliche, die sagen, man sollte solche Filme nur in einem solchen Rahmen zeigen und nicht auf DVD. Und andere sagen: "Da hab ich im Internet schon was ganz anderes gesehen."
Zur Person: Der promovierte Historiker Pascal Metzger hat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg studiert. Er ist beim Verein "Geschichte für Alle" verantwortlich für die pädagogischen Bildungsprogramme im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und im Memorium Nürnberger Prozesse.
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