Nürnberger U-Bahn fährt seit fünf Jahren fahrerlos

14.6.2013, 07:00 Uhr
Nürnberger U-Bahn fährt seit fünf Jahren fahrerlos

© Stefan Hippel

Haben sich die großen Erwartungen, die an das Vorzeigeprojekt geknüpft waren, erfüllt? Andreas May, Leiter der VAG-Leitstelle, antwortet prompt mit einem „Ja“. May hat das Projekt seit Dezember 2001 als Mitglied einer achtköpfigen Arbeitsgruppe begleitet. Er hat deshalb schnell die Vorteile parat: Der kürzeste Takt von U-Bahnen mit Fahrer können in Nürnberg nur 200 Sekunden sein. „Bei der U3 konnten wir ihn auf 100 Sekunden senken. Das bedeutet für den Fahrgast weniger Wartezeiten.“ Bei Großveranstaltungen können mehr Züge eingesetzt werden.

Die automatische U-Bahn braucht zehn bis fünfzehn Prozent weniger Strom, so May. Die Bremsenergie wird in Strom rückverwandelt und gleich wieder ins System für die parallel fahrenden Züge eingespeist. Schließlich hat die VAG U-Bahnfahrer eingespart: Obwohl das Streckennetz mit der U2 und der U3 erweitert wurde, mussten keine neuen Fahrerstellen geschaffen werden, erläutert May. Insgesamt 100 Stellen hat die VAG auf diese Weise gespart. Die nicht mehr benötigten Fahrer werden als Servicepersonal eingesetzt oder fahren auf der U1. Um den Platz, den die Fahrer in den Zügen freigemacht haben, rangeln sich oftmals Kinder.

Die Kosten für die automatische U-Bahn sind zwischen Stadt und Siemens AG abgerechnet: 140 Millionen Euro haben die 32 neuen Fahrzeuge gekostet, 360 Millionen Euro die Infrastruktur und 110 Millionen Euro kamen als Zuschlag für die spezielle Automatisierungstechnik obendrauf. „In zehn bis zwölf Jahren haben sich die Mehrkosten amortisiert“, legt sich May fest.

Die Mehrkosten für die verspätete Inbetriebnahme haben Stadt und Siemens auf dem Verhandlungsweg aufgeteilt. Die U1, die in den nächsten Jahren neue Fahrzeuge bekommt, wird allerdings nicht für den automatischen Betrieb umgerüstet. Der finanzielle Mehraufwand rechnet sich nicht.

„Das System in Nürnberg  läuft seit einigen Jahren sehr erfolgreich im Betrieb und wird auch von den Passagieren angenommen. Es gab bei den Planungen immer eine gewisse Unsicherheit, ob die Passagiere auch gerne in ein fahrerloses Fahrzeug einsteigen“, sagt Melih Arpaci, Vertriebsingenieur bei Siemens, im Gespräch mit der NZ. May ergänzt: „Die Akzeptanz war nie ein Problem.“ Dafür hatte die VAG im Vorfeld auch einiges getan. Bis in die Schulen hinein wurden die Informationen getragen, damit bei den Nutzern keine Angst vor dem automatischen Betrieb entsteht.

Hohe Akzeptanz der U-Bahn entsteht durch Pünktlichkeit und Sicherheit. Nach fünf Jahren schneidet die automatische U-Bahn sehr gut ab: Die Pünktlichkeitsquote der automatischen U-Bahn liegt laut May zwischen 99,6 und 99,8 Prozent, die mit Fahrer ist ein, zwei Prozent dahinter. Die Pünktlichkeitsquote erlaubt im Einzelfall eine Abweichung von bis zu 2,5 Minuten. Unfälle oder größere technische Probleme, die auf den Automatikbetrieb zurückzuführen sind, gab es nicht – oder die VAG hat sie geschickt versteckt.

Die verspätete Inbetriebnahme der automatischen U-Bahn 2008 lag, so VAG und Siemens, an den besonderen Voraussetzungen in Nürnberg: Der Umbau für den automatischen Betrieb setzt auf der vorhandenen Technik auf. Die Arbeiten erfolgten während des laufenden Betriebs und es wird teilweise mit und ohne Fahrer auf einer Strecke gefahren. Hinzu kamen noch die Probleme mit der Bahnsteigüberwachung und mit den Türen.

Diese Erfahrungen hat Siemens für Paris genutzt. „Was sich durchgesetzt hat, sind Konzepte, die wir in Nürnberg realisiert haben. Verändert hat sich inzwischen die Technologie. In Nürnberg erfolgt die Übertragung von Infos zwischen Fahrzeug und Strecke mittels Leitungen, die zwischen den Schienen verlegt sind.

Inzwischen benutzen wir dafür eine WLAN-basierte Technologie“, erklärt Arpaci. Für May lagen die Schwierigkeiten darin, dass bei der Inbetriebnahme immer mehr Detailprobleme auftauchten und es keine Zeit mehr gab, diese zu beheben. 2006 musste dann der Start auf 2008 verschoben werden.

„Nürnberg war unser Pionierprojekt. Heute sind fahrerlose U-Bahnen mit Siemens-Technik beispielsweise auch in Barcelona, Budapest, in Sao Paulo und auf der meistgenutzten U-Bahnlinie in Paris im Einsatz“, betont Arpaci. Laut VAG denken auch Stockholm, Helsinki, Amsterdam, Brüssel, Hamburg sowie einige Städte in Asien und Südamerika über die Einführung einer automatischen U-Bahn nach.

„Mit Komponenten, die in Nürnberg erprobt wurden und auf andere Städte angepasst werden“, sagt May. Jede automatische U-Bahn sei ein Einzelfall. Insgesamt wurden 220 interessierte Gruppen in Nürnberg gezählt. Auch München startet jetzt einen ersten Schritt in Richtung automatische U-Bahn – mit Überwachungstechnik wie in Nürnberg.
 

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