Nürnbergerin entdeckte vor 25 Jahren Ötzi-Mumie
19.9.2016, 08:41 UhrLeitner zeigte, wo der Bogenschütze stand, als er vor 5300 Jahren den etwa 45 Jahre alten Mann ermordete. Doch dann wurde der Ersatz-Ötzi ausgebuddelt und nur spärlich bekleidet in einen Plastiksack gesteckt. Das war der Moment, in dem Erika Simon protestierte. "Nein, so dürft ihr den Ötzi nicht fotografieren", schimpfte sie.
Schon einmal hatte sie aus Respekt vor dem Toten interveniert, wenngleich vergeblich: Mit dem 36. und letzten Bild seiner Kamera hatte Helmut Simon 1991 den Fund dokumentiert. "Musst du jetzt einen Toten fotografieren?", schimpfte sie ihren Mann. Ötzi ist die Mission der Erika, wie sie in Nord- und Südtirol genannt wird. Das ist keineswegs respektlos.
Erika Simon hatte Zweifel
Das Du ist ohnehin die übliche Anrede am Berg oder im Ötztal, wo "die Erika“ ein gern gesehener Gast ist. Denn sie ist gefragt: Vor Schulklassen im Ötzidorf oder im Archeo-Parc im Schnalstal erzählt die 76-jährige Nürnbergerin immer wieder geduldig ihre Geschichte. Eine Abkürzung hatte das Ehepaar genommen, als plötzlich der Kopf der Mumie aus dem abgetauten Gletscher ragte.
Die Vorgeschichte: Im März 1991 hatten starke Winde Saharasand nach Norden transportiert, der auch über den Ötztaler Alpen abregnete. Der rötliche Sand reflektierte das Sonnenlicht stark. Deshalb war die 5300 Jahre alte Mumie ausgeapert.
"Ötzi hat mein Leben verändert“
Helmut Simon war von seiner Rolle als Ötzi-Finder wohl mehr begeistert als seine Frau. Er sammelte alle Zeitungsartikel und ließ sich "Ötzi-Finder“ auf die Visitenkarte drucken. Doch im Jahr 2004 starb er bei einem Bergunfall nahe Bad Hofgastein. Seither repräsentiert Erika Simon die Ötzi-Finder, wenngleich ihr "der Wirbel manchmal zu viel wird“.
Helmut Simon hat nicht mehr erlebt, dass die italienische Regierung nach jahrelangem Rechtsstreit 2009 insgesamt 175.000 Euro Finderlohn zahlte. So recht freuen konnte sich auch die Nürnbergerin nicht. 55.000 kassierten die Rechtsanwälte, den Rest teilte sie sich mit ihren Kindern und Enkeln.
"Ötzi hat mein Leben verändert“, räsoniert sie oben an der Fundstelle vor Wissenschaftlern und Journalisten. Es ist ein intimer Moment. Sie lässt die Erinnerungen Revue passieren, an die schönen Wanderungen mit ihrem Mann damals, vom Schnalstal aus; an den Augenblick, als sie fast über Ötzis Kopf gestolpert waren. Manchmal hat sie auch Zweifel, ob die Entscheidung richtig war, den Fund überhaupt zu melden.
Der Bestatter von Vent, Anton Klocker, sorgt sich, ähnlich wie Erika Simon, um die Würde des Toten. Er hatte damals im oberen Ötztal den Leichensack entgegengenommen, den der Hubschrauber ins Tal flog. Weil ein Arm des Eismanns partout nicht in den Zinksarg passte, brach Klocker ihn — "aus Versehen“. Zuvor hatte schon Gendarm Anton Koler am Berg mit einem Presslufthammer Ötzi an der Hüfte getroffen. Der Eismann leistet wohl bei der Bergung heftigen Widerstand.
Klocker hat den echten Ötzi in Bozen besucht, wo er hinter Glas zu bewundern ist: "Er gehört endlich anständig bestattet“, sagte Klocker später im Ötzi-Dorf, wo sich alles um den Steinzeitmann dreht. Doch der Innsbrucker Archäologie-Professor Walter Leitner hält dagegen. Er lobt die Finderin, "die liebe Erika“, dass sie der Wissenschaft einen wunderbaren Dienst erwiesen hätte.
Und auch die Touristiker im Ötztal, im Schnalstal und in Bozen jubeln: Ötzi ist auch 25 Jahre nach dem Fund eine riesige Attraktion. Drei große Ausstellungen dokumentieren das Leben des "Frozen Fritz“, wie er englisch heißt. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern sind die Freiluft-Ausstellungen in den Tälern entstanden, in denen mit Feuersteinen hantiert wird, Hölzer in archaische Waffen verwandelt werden oder auf Steinen Mehl gemahlen wird, um Steinzeit-Brot zu backen.
Und Erika Simon? Sie trifft sich am Wochenende mit ihrer Familie am Fundort. Ganz privat. Ohne Kameras. Wieder wird sie im Helikopter vom Timmelsjoch aus hinauffliegen: "Der Ötzi gehört irgendwie zu meinem Leben.“
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