Nürnbergs OB Maly fordert Beteiligung der SPD an GroKo

20.12.2017, 09:57 Uhr
Nürnbergs OB Maly fordert Beteiligung der SPD an GroKo

© Foto: Michael Matejka

Neuwahlen und Minderheitsregierungen schließt das Stadtoberhaupt in einem Gespräch mit der NZ aus: "Dem Wähler zu sagen, er hat falsch gewählt und es kommt keine Regierung zustande, deshalb muss noch einmal gewählt werden, ist ein Beitrag zur Parteienverdrossenheit." Maly befürchtet dann eine Radikalisierung der Wählerschaft. Auch nach einer Neuwahl müssten die gleichen Akteure wieder miteinander klarkommen.

Einer Minderheitsregierung steht der OB ebenfalls ablehnend gegenüber. "Sie sind mit der grundgesetzlich verankerten Kombination aus Vertrauensfrage und konstruktivem Misstrauensvotum entweder extrem teuer, weil man sich jede Zustimmung erkaufen muss, oder aber von ganz kurzer Halbwertszeit." Eine Regierung müsste sich von Vertrauensfrage zu Vertrauensfrage hangeln. "Das macht die Politik kaputt." Für ein konstruktives Misstrauensvotum gegen die Union gebe es keine Mehrheit. "Wir brauchen aber eine stabile Regierung."

Die SPD braucht wieder mehr Modernität

Maly befürchtet nicht, dass es die SPD zwischen Befürwortern und Gegnern einer Großen Koalition zerreißt. "Das kommt darauf an, wen man fragt, die Funktionäre oder die Mitglieder. Das letzte Mal waren die Funktionäre sich sicher: Die Mitgliederbefragung über die Große Koalition geht 51 zu 49 Prozent aus. Es waren aber 75 Prozent dafür. Auch kann man die Frage nach der politischen Verantwortung nicht nach den Wahlchancen ausrichten.

Die SPD trägt seit über 150 Jahren politische Verantwortung." Eine Ablehnung der Großen Koalition hält Maly deshalb für falsch. "Wenn man sich der großen Koalition verweigert, dann müssten wir sagen, wie lang die Weigerung gilt. Bis 2021? Bis 2025?" Es sei nicht zu erwarten, dass es erdrutschartige Veränderungen im Bundestag geben wird. Die Frage nach einer Großen Koalition stelle sich auch in Zukunft.

Der OB kritisiert, dass, bis auf die Grünen, sich keine Partei mehr traut, von einer besseren Welt zu erzählen. "Das erwarten aber die Menschen." Es werde zwischen den Parteien manchmal um des Kaisers Bart gestritten und die Welt in Briefmarkengröße betrachtet. "Wir müssen wieder den Mut haben, von der besseren Welt à la SPD zu erzählen, so wie auch die Union eine Erzählung von der konservativen, besseren Welt bringen muss. Dazu gehören die Elemente Europa und Gerechtigkeit."

Selbstverliebte Zwangsbeglücker

Die SPD, kritisiert Maly den Zustand seiner Partei, sei in den 60er und 70er Jahren die Partei der Modernität gewesen. "Wenn ich sehe, wie wir über Digitalisierung und Datenschutz reden, dann glaube ich, dass wir einen kleinen Aufbruch zurück in die Moderne benötigen und weniger Angst vor gesellschaftlichen Veränderung haben müssen." Die SPD habe noch immer eine Lücke bei grünen Themen, weil sie zu stark auf die Industrie setzt.

"Angesichts der Erderwärmung muss doch das reichste Land der Welt so schnell wie möglich aus der Braunkohle aussteigen. Für die von der Braunkohle betroffenen Regionen muss dann ein zwei Milliarden schweres Konjunkturprogramm aufgelegt werden. Die Kunst besteht darin, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen." Die SPD habe schon einmal den Ausstieg aus der Kohle gemanagt, erinnert der OB. Das Gesetz zur Rettung von Kohle und Stahl stammt von SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller aus dem Jahr 1967. "Das wurde aber auch von einem Programm, dass der Himmel über der Ruhr blau werden soll, begleitet. Dazu fehlt uns derzeit der Mut."

Maly sieht auch das Staatsverständnis der SPD kritisch. "Die Grenze zwischen dem selbstverliebten Zwangsbeglücker und dem fröhlichen Weltverbesserer ist manchmal fließend und der Zwangsbeglücker weiß besser, was für die Menschen gut ist, er sagt es ihnen und zwingt es ihnen dann über detaillierte Gesetzgebung auf. Diesen Hang zur Zwangsbeglückung hat die Politik insgesamt, aber Grüne und SPD ganz besonders." Die Grünen allerdings noch ein bisschen mehr als die SPD.

Grüne Lücke schließen

"Der fröhliche Weltverbesserer geht nicht von einem Misstrauen gegenüber den Menschen aus. Er muss nicht regulieren, weil die Menschen böse sind. Der fröhliche Weltverbesserer, der macht Spielräume auf und setzt klare Regeln. Innerhalb derer lässt er Freiheiten zu", sagt Maly. Seit den 70er Jahren sei ein Stück Staatsverständnis gewachsen, das zu arg in Zwangsbeglückerei ausgeartet sei. Laut Maly arbeitet die SPD an einigen dieser Baustellen, auch an der ökologischen.

"Wenn die SPD ihre grüne Lücke nicht schließt, dann werden fünf bis zehn Prozent der Wähler sie nicht akzeptieren können." Das bedeute nicht, dass die SPD grüner werden müsse als die Grünen. "Das bedeutet aber am Beispiel von Nürnberg, dass das Wohnungsbauprogramm mit dem Freiraumentwicklungskonzept verknüpft werden muss." Man könne nicht nur Wohnungsbau machen, sondern müsse auch grüne Flächen aufwerten. "Deshalb war ich, obwohl ich um den Widerstand wusste, für das Naturschutzgebiet im Pegnitzgrund. Um glaubwürdig zu bleiben, darf einem die Lebensqualität in der Stadt nicht egal sein."

Maly ist sich sicher, dass die SPD auch in einer Großen Koalition ihre programmatischen Baustellen bearbeiten kann: "Sie darf sich aber nicht nur auf das Regieren konzentrieren." Er erinnert daran, dass Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr so stark ist wie bei der letzten Großen Koalition.

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