Plädoyers im Doppelmord: War Stephanie P. Urheberin des Mordplans?
3.4.2019, 20:19 UhrIngo P. ist ein Doppelmörder, davon ist der Ankläger überzeugt – und fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe für Ingo P. (26), er beantragt auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und die Sicherungsverwahrung.
Geht es nach Stefan Rackelmann, muss auch Stephanie P. (23) eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen. Dabei war die junge Frau zum Tatzeitpunkt nicht in Schnaittach, sondern bei ihren Eltern in Burgthann. Geht das? Eine Verurteilung wegen Mordes, obwohl Stephanie P. nicht einmal am Tatort war? Der Staatsanwalt hält sie für die treibende Kraft hinter der entsetzlichen Bluttat, für die Urheberin des Mordplans. Schon in früheren Beziehungen (einmal hetzte sie angeblich gegen die Schwester eines Partners und wünschte sich deren Tod, ein anderes Mal schimpfte sie über die Eltern eines anderen Freundes) habe Stephanie P. bei ihren Freunden keine andere Bezugspersonen geduldet. Und da sie von ihrer künftigen Schwiegermutter Elfriede P. abgelehnt wurde, stand diese der geplanten Ehe und dem Einzug des Paares im Elternhaus im Wege.
"Daraus entstand der gemeinsame Tatplan", sagt Rackelmann: "Was im Weg steht, muss weg." Für einen gemeinschaftlich begangenen Mord ist es nicht notwendig, dass jeder Mittäter auch am Tatort war – neben dem gemeinsamen Tatplan und dem Willen zur Tat, genügt ein wesentlicher Tatbeitrag, etwa zur Vorbereitung.
"Ingo konnte sich auf Stephanie verlassen"
"Du hast mich zum Mord getrieben", schrieb Ingo P. am 22. November 2017 via Handy an Stephanie – auch von Muffins war die Rede. Damals, so die Anklage, tischte das junge Paar Mutter Elfriede P. vergiftete Muffins auf – Stephanie hatte gebacken, Ingo präparierte das Gebäck mit Rizinus-Samen. Später kämpfte Elfriede P. mit Durchfall und Erbrechen. Wochen später kredenzte Ingo seinen Eltern Kaffee, versetzt mit GBL. Bei der Substanz "Gamma-Butyrolacton" handelt es sich um ein Lösungsmittel, das in Putzmitteln und Klebstoff steckt. Für diesen Anschlag soll Stephanie allerlei Utensilien im Internet bestellt haben.
"Ingo konnte sich auf Stephanie verlassen", sagt der Staatsanwalt, nach dem Doppelmord half sie, die Spuren der Bluttat in der Wohnung zu beseitigen, renovierte und putzte. Fein säuberlich reiht er in seinem zweistündigen Schlussvortrag Indiz an Indiz — bis sein Gedankengebäude steht.
Am Ende versuchen die Verteidiger, es einzureißen: Schlüssig sei die Argumentation nicht, meinen Alexander Seifert und Michael Spengler, die Anwälte Stephanie P.s: Vermutlich hätte die Schwiegertochter, die Elfriede P. akzeptiert hätte, "erst einen Zuckerbäcker backen müssen", sagt Seifert, doch dass sie deshalb aus dem Weg geräumt werden sollte? Für einen "gemeinsamen Tatplan", wie ihn der Staatsanwalt postuliert, liege kein Beweis vor, ergänzt Anwalt Spengler.
Außerdem sei es verständlich, dass sich Stephanie über die Schwester ihres Ex-Freundes aufregte, habe diese ihrem Bruder doch zur Trennung geraten. Und ob es die Giftanschläge überhaupt gab? Die Anwälte zweifeln auch daran: Elfriede P.s Hausarzt habe im Herbst 2017 einen Magen-Darm-Infekt vermutet, Durchfall und Erbrechen quälten viele in der Gegend – und der Toxikologe der Rechtsmedizin wies kein Gift in den Leichnamen nach. Allerdings ist auch offen, wie und ob Rizinus-Samen hätten ausgeschieden werden können, und wie flüchtig GBL sei. Überhaupt sei denkbar, dass die Angeklagten GBL nur zur Stärkung ihrer sexuellen Kraft im Internet bestellten.
Ingo will endlich trauern
Die Anwälte fordern Freispruch – und auch Jürgen Pernet, Ingo P.s Verteidiger, verlangt Freispruch, hilfsweise höchstens Ingo P.s Verurteilung wegen Totschlags. Hier liegt der Strafrahmen zwischen fünf und 15 Jahren. Jürgen Pernet bringt zwar keine unbekannten Dritten ins Spiel, doch stellt überraschende Fragen: War Stephanie in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 2017 wirklich in Burgthann und nicht am Tatort? Sie war es, die der Polizei erzählte, dass Ingo ihr die Bluttat jener Nacht gestanden habe. Doch objektive Beweise zu diesem Tatzeitpunkt fehlen – und damit sei auch ihr Alibi hinfällig.
Am Ende der Plädoyers erhebt sich erstmals Ingo P.: Er habe gravierende Fehler in seinem Leben gemacht, sagt er – und spricht von seinen Suizidversuchen. Nun, da der Strafprozess bald zu Ende geht, sei für ihn endlich die Zeit, um seine Eltern zu trauern. Die Staatsanwaltschaft habe ihn ja nicht einmal zur Beerdigung gehen lassen. Zum Tatvorwurf äußert er sich nicht.