Protest gegen Stromtrasse: "Man muss doch aufstehen"

19.5.2014, 05:57 Uhr
Tausende kamen nach Nürnberg, um am Kornmarkt gegen die geplante Gleichstrompassage Süd-Ost zu demonstrieren.

© dpa Tausende kamen nach Nürnberg, um am Kornmarkt gegen die geplante Gleichstrompassage Süd-Ost zu demonstrieren.

Sie fallen auf in der Nürnberger Fußgängerzone: Die Frau trägt ein leuchtend gelbes T-Shirt, darauf ist ein großes Stop-Schild gedruckt und in der Hand hält sie ein Plakat. Auch der Mann trägt ein Schild, befestigt an einem einfachen Ast. Die beiden kommen aus Emtmannsberg, einem kleinen Ort mit gut 1000 Einwohnern wenige Kilometer südlich von Bayreuth.

Nach 15 Jahren Herumzieherei haben sich Birgit Küfner und ihr Mann Michael Zöllner entschlossen, endlich sesshaft zu werden. Dafür pendelt sie jeden Morgen und Abend eine knappe Stunde bis zur Arbeit. Schließlich ist es so schön in dem Ort, so ruhig, so idyllisch. Doch in einigen Jahren könnte die Gleichstrompassage Süd-Ost direkt an ihrer neuen Heimat vorbeiführen. Es wäre vorbei mit der Idylle.

Erst am Freitagabend gründeten die beiden mit 100 anderen in Emtmannsberg eine Bürgerinitiative gegen den Bau der Trasse. Und nun, einen Tag später, sind sie in Nürnberg, um gegen die Leitung zu demonstrieren. „Man muss doch aufstehen und sich zeigen“, sagt Michael Zöllner. „Damit klar wird, wie viele Menschen dagegen sind.“

Am Samstag zeigen sich am Nürnberger Kornmarkt bis zu 3000 Menschen: Viele haben selbst gebastelte Plakate in der Hand, doch im Vergleich zu den ersten Protestaktionen hat sich der Widerstand professionalisiert: Es gibt einheitliche Flyer und Plakate, gestaltet von renommierten Künstlern aus der Region und zu bekommen an einem Stand am Rande des Kornmarkts.

Schon lange organisiert sind die Trassengegner aus Pavelsbach (Landkreis Neumarkt). Bereits bei der ersten großen Protestaktion in der Nürnberger Meistersingerhalle im Januar waren sie vorne mit dabei, buhten und pfiffen minutenlang, so dass die Vertreterin des Übertragungsnetzbetreibers Amprion kaum zu Wort kam. Auch heute sind sie mit 60 Leuten gekommen, doch sie lassen es ein wenig ruhiger angehen: Hier sind schließlich alle einer Meinung.

Mit einem Bier in der Hand stehen Helmut Lerzer und Ralph Feldbauer am Rand der Demonstration, schwatzen ein wenig mit den Mitgliedern der Freystädter BI und werden rechtzeitig laut, wenn ein Redner auf das „rein wirtschaftliche Interesse“ von Amprion“ schimpft: Der Konzern wolle die Leitung nur bauen, „um Braunkohlestrom nach Bayern zu bringen“.

Man werde im Protest nicht nachlassen, sagt Feldbauer. Die Politik, namentlich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, dürfe nicht vergessen, dass er versprochen habe, die Trasse werde nicht kommen. Dafür fahren die Pavelsbacher durch ganz Bayern, waren auf diversen Demonstrationen. Wie viele es waren, das wissen sie nicht mehr so genau. Hauptsache Präsenz zeigen.

Thema bei jeder Feier

Ein paar Meter weiter steht Helmut Haschner, in der Hand ein rosa Plakat, darauf ist ein roter Blitz gemalt, „Sallach wehrt sich. Keine Trasse“ ist geschrieben. Minutenlang hebt Helmut Haschner das Schild hoch, nur wenn die Arme weh tun, muss er es kurz absetzen. 73 Jahre ist er alt, es ist die erste Demonstration seines Lebens, der Schwiegersohn hat ihn mitgenommen. Zeit habe er ja in der Rente, und die Trasse wolle er auch nicht, sagt Haschner. Zumal sie nur wenige Meter am Haus der Kinder und Enkel vorbeiführen könnte. Inzwischen auch schon bei jeder Familienfeier das große Thema.

Man müsse Unterschriften sammeln, sagt Schwiegersohn Josef Landes, die fünfjährige Tochter sitzt auf seinen Schultern und guckt fasziniert auf die Menschenmassen am Platz. Und die Menschen aufmerksam machen, auf das, was da kommen könnte. Das Ausmaß der Trasse hätten Franken und Oberpfälzer übrigens deutlich früher erkannt, als die Menschen in seiner Heimat, dem Landkreis Donau-Ries. „Wie die Leute aus Nordbayern nicht gewesen wären, hätten wir das alles gar nicht registriert.“

Es sei ein Protest aus der Mitte der Gesellschaft, sagt Uli Strauß, Sprecher der BI Bürger gegen die Strommonstertrasse. Alle sozialen Schichten sind vertreten, alle Altersgruppen. Viele Familien sind gekommen, „für die Kinder machen wir es schließlich“, sagt ein Mann. „Es ist ihre Zukunft.“ Nun dürfe nicht nachgelassen werden, „wir müssen dran bleiben“.

Was ist nach der Wahl?

Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel ist zur Demonstration gekommen. „Ich habe Sorge, dass nach der Europawahl der Politik ins Bewusstsein kommt: Wir haben jetzt drei Jahre keine Wahl und können so manche Dinge ungehindert durchziehen“, sagt er. Dabei gebe es eine klare und sinnvolle Alternative zum Bau der Gleichstrompassage Süd-Ost: Man müsse mehr auf dezentrale Energien und Speicher setzen, damit sei die Energiewende gut zu schaffen.

Damit stößt Göppel auf offene Ohren, die meisten sagen von sich selber, dass sie ja Freunde der Energiewende seien. Doch bitte nicht auf diese Art – nicht mit dieser Zerschneidung der Landschaft. Nicht mit der Gleichstromleitung. „Wir werden dranbleiben“, sagt Uli Strauß. Und er richtet einen Appell an die Nürnberger Politik, namentlich den Oberbürgermeister: „Herr Maly, setzen Sie sich gegen diese Stromtrasse ein.“

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