Rassistische Attacken und Gewalt? Strafanzeige gegen Beamte

7.10.2015, 12:00 Uhr

„Gefährliche Körperverletzung, Körperverletzung im Amt, Nötigung, Beleidigung, Freiheitsberaubung, Verleumdung, Verfolgung Unschuldiger, Hausfriedensbruch und falsche Verdächtigung (. . .)“ – die Liste der Vorwürfe, die David Schneider-Addae-Mensah gegen Unbekannt und den Freistaat Bayern erhebt, ist lang. Der Rechtsanwalt aus Karlsruhe vertritt Melissa A. (alle Namen geändert), eine 62-jährige Frau aus Nürnberg, sowie ihren Sohn.

Der Strafantrag bezieht sich auf einen Vorfall vom vergangenen Freitag. Laut Polizeibericht hatte der 35-jährige Sohn Benedict A. im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses in der Camerariusstraße, in dem er mit seiner Mutter Melissa A. lebt, um 3 Uhr nachts im Erdgeschoss randaliert. Ein Nachbar (29) forderte den Mann auf, die Ruhestörung einzustellen. Daraufhin habe der Randalierer ein Messer gezogen und mehrfach auf den 29-Jährigen eingestochen. Dieser wehrte sich heftig, konnte sich in seine Wohnung retten und die Polizei rufen. Er wurde später in eine Klinik gebracht.

Als die Polizei in der Wohnung von Melissa A. eintraf, fanden die Beamten jedoch nur Melissa A. und Benedict A.s Bruder Thomas (33) A. vor. Laut Polizei wurde die Suche nach dem mutmaßlichen Messerstecher behindert, indem Melissa A. einem Polizisten (30) in den Bauch biss und Thomas A. um sich schlug. Später nahm die Polizei den Gesuchten auf dem Dachboden des Hauses fest. Der mutmaßliche Messerstecher und sein Bruder wurden auf die Polizeiwache Mitte gebracht, wo Benedict A. unter Zwang Blut entnommen wurde.

Darstellungen gehen weit auseinander

Gegen ihn ermittelt nun die Mordkommission, gegen die Mutter und den Bruder laufen Verfahren wegen Körperverletzung und Widerstands gegen die Staatsgewalt. So weit die Darstellung der Polizei. Der von Melissa A. beauftragte Anwalt Dr. David Schneider-Addae-Mensah ist spezialisiert auf Fälle von Polizeigewalt und Psychiatrieeinweisungen. Er hatte auch den Sohn von Melissa A., den mutmaßlichen Messerstecher, vor einiger Zeit nach einer Zwangseinweisung aus der Psychiatrie geholt. Schneider-Addae-Mensah stellte nun im Namen seiner Mandantin Melissa A. Strafanzeige gegen Unbekannt bzw. den Freistaat Bayern. Sie liegt der NZ vor und zeichnet ein völlig anderes Bild des Vorfalls.

Die Polizisten hätten sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung von Melissa A. verschafft und dort private Dinge der Frau durchsucht, obwohl sich der gesuchte Benedict A. gar nicht in der Wohnung aufgehalten habe. Der Anwalt schreibt weiter, als die Frau eine Erklärung von den Beamten forderte, hätte ihr ein Polizist mit der Hand ins Gesicht geschlagen. Weitere Beamte seien auf den Bruder des Gesuchten losgegangen und hätten diesen erheblich verletzt.

Anwalt sagt: Polizisten nannten US-Bürgerin ,Negerhure‘

„Meine Mandantin wurde derweil von zwei uniformierten Tätern krankenhausreif geschlagen. Sie erhielt mehrfach Fausthiebe gegen den Kopf (...), der hinter meiner Mandantin stehende Täter schlug ihr mit der Faust in den Rücken.“ Der Beamte, der zuerst zugeschlagen hatte, habe ihr mit dem Knie ins Gesicht getreten. Die Frau habe dann – quasi in Notwehr – den Beamten in den Bauch gebissen. Dieser habe nach kurzer Unterbrechung aber weiter zugeschlagen.

Die 62-Jährige sei dann zu Boden gebracht und gefesselt worden, die Polizisten hätten ihr den Kopf zur Seite gedreht und diesen mit dem Knie nach unten gedrückt. Später habe der Polizist ihr mit dem Schuh ins Gesicht getreten. Einer der Polizisten habe die dunkelhäutige 62-Jährige, die US-Bürgerin ist, „während der Misshandlungen wörtlich als ,Negerhure‘, ,Miststück‘ und ,stinkende Hure‘“ bezeichnet, ihr Haare ausgerissen und ihr gedroht, sie werde noch von ihm hören. Auf die Frage von Melissa A., warum er eine ältere Frau so misshandele, hätte der Polizist gesagt, wenn eine Frau das brauche, würde sie es von ihm bekommen.

Melissa A., die in der Wohnung zurückblieb, rief zwei Freunde an, die bundesweit zur Prominenz zählen, jedoch namentlich nicht genannt werden wollen. Einer der beiden sagte der NZ, sie hätten die unter Schock stehende Frau zur Polizei begleitet, wo sie ihren Sohn Thomas A. abholen konnte. Der zweite Sohn, der mutmaßliche Täter, ist laut NZ-Informationen in der Psychiatrie in Erlangen untergebracht. Thomas A. habe deutliche Anzeichen von Schock gezeigt, sagte der Zeuge der NZ. Zudem sei er nur mit Schlafanzug und Hausschuhen bekleidet gewesen. Auch bei der 62-Jährigen habe der Zeuge Spuren der Gewalt festgestellt, so habe ihr unter anderem im Gesicht ein Stück Haut gefehlt, ihre Haare seien büschelweise ausgerissen gewesen.

Anwalt sieht Mandantin durch Polizeibericht verleumdet

Die beiden Zeugen wollten die Frau und ihren Sohn Thomas anschließend in die Erler-Klinik bringen. Dort wurden sie abgewiesen, vermutlich, weil dort das Opfer der Messerattacke behandelt wurde. Daraufhin suchten sie das Nordklinikum auf, das die Verletzungen dokumentierte, später wurde Melissa A. ins Südklinikum verlegt, wo sie bis Montag blieb. Da die Frau US-Bürgerin ist, habe man auch das Konsulat eingeschaltet.

Der Anwalt von Melissa A. schreibt, es seien eine „Gehirnerschütterung, Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, eine Prellung der Bauchdecke, eine Thorax-, eine Gesichts- und Handgelenksprellung“ festgestellt worden. Er sieht die Frau zudem durch die Polizeiberichte, die in Medien publiziert wurden, verleumdet. Mit Folgen: Ihr Vermieter habe ihr gekündigt.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat den Eingang der Strafanzeige bestätigt. Die Polizei will sich nicht zu dem Fall äußern. Wie alle Vorwürfe gegen Beamte, werden auch diese vom Landeskriminalamt und der Personalstelle geprüft und bei einem möglichen Verfahren thematisiert. Man habe seitens der Polizei die Verletzungen der Beamten dokumentiert, da gegen Melissa A. und den Sohn Thomas A. ein Ermittlungsverfahren laufe.