Rugby: Qualitäten eines weitgehend unbekannten Sports
13.3.2013, 14:04 UhrHerr Michl, wir stehen hier in einer Grundschule, vor uns spielen Kinder Rugby. Warum soll Rugby ein Sport für Grundschüler sein?
Alexander Michl: Rugby ist nicht nur ein Sport für Grundschüler, es ist ein Sport für jeden Menschen auf dieser Welt. Es hat Leichtathletik-Anteile, es hat einen kognitiven Anspruch, es bildet den Körper und die Persönlichkeit. Es macht unglaublich viel Spaß. Man findet Freunde auf der ganzen Welt, von Kindesbeinen an bis ins Greisenalter.
Das hört man nun vom Fußball auch. Warum soll ich mein Kind trotzdem lieber zum Rugby schicken?
Michl: Rugby ist Anstand, Rugby ist Fairness. Ich sage jetzt nicht, dass Fußball ein unfairer Sport ist, aber das, was man teilweise mitbekommt, sind Entwicklungen, die es beim Rugby nicht gibt. Wir legen von den untersten Jugendmannschaften an Wert darauf, dass anständig gespielt wird. Ich verliere lieber, als dass ich durch Foulspiel gewinne. „Le rugby, des valeurs pour la vie“ heißt eine Kampagne bei den Franzosen, „Rugby, Werte fürs Leben“. Und so ist es auch: Wie ich mich auf dem Rugbyfeld verhalte, so bin ich auch im richtigen Leben.
Beim Rugby gibt es keine Scharmützel, keine Rangeleien?
Michl: Hab’ ich noch nie erlebt! Ich war in Europa schon viel unterwegs, in Marseille etwa, beim Länderspiel Frankreich gegen Argentinien, natürlich gibt es da auch Polizei. Die sagen den Fans aber nur, wo es zur U-Bahn geht und passen auf, dass niemand falsch parkt...
...und auf dem Platz?
Michl: Da wird sehr hart gespielt, natürlich. Aber ein Rugby-Spiel besteht aus drei Halbzeiten. In den ersten beiden spielt und kämpft und rennt man – und in der dritten Halbzeit sitzt man mit dem Gegner zusammen und trinkt Bier. Oder eben Apfelschorle.
Das klingt ja alles toll, aber sagen Sie mal, wenn so kleine Kinder Rugby spielen, da kommt es doch zu Tränen, oder?
Michl: Je jünger die Altersklasse, desto entschärfter sind die Regeln, desto weniger kommt es zu kritischen Situationen. Die richtigen Kontaktsituationen finden erst ab der U14 statt.
Können Sie sich vorstellen, dass Sie Ärger bekommen, wenn die kleine Prinzessin nach Hause kommt und sagt: Mama, ich will Rugby spielen?
Michl: Natürlich, das ist eine Folge der Vorurteile diesem Sport gegenüber. Ich hatte kürzlich einen ähnlichen Fall mit einer jungen Frau, die habe ich auf einem Familientreffen für den Rugby-Sport begeistert. Die Mutter war entsetzt. Sie hat mich geradezu für den teuflischen Verführer ihrer Tochter gehalten. Inzwischen hat sich das Ganze wieder eingerenkt. Die Tochter hat seitdem kein Training verpasst und war letzten Freitag auf der Sichtung der Nationalmannschaft.
Geben Sie es zu! Solche Aktionen wie die heutige machen Sie doch nur, damit ihr Sport in 20 Jahren nicht mehr nur auf der letzten Seite im Lokalsport Erwähnung findet. Glauben Sie wirklich noch daran?
Michl: Ja, das glaube ich seit 15 Jahren!
Und? Schon Aufwind verspürt?
Michl: Ja, wir spüren Aufwind. Langsamer als ich eigentlich dachte. 1998, als wir uns hier gegründet haben, dachte ich: drei, vier Jahre wird’s wohl dauern, bis sich das in Nürnberg durchgesetzt hat. Gut, es dauert länger, aber es geht voran. Im Jahre 1990 hatten wir in Bayern insgesamt fünf Vereine, davon waren zwei von der Auflösung gefährdet. Inzwischen sind wir bei gut 23, fünf davon haben stabile Jugendarbeit, in weiteren vier fängt man gerade damit an. Schulprojekte wie das hier laufen in anderer Art und Weise auch in anderen Städten.
Gut. Wann wird Deutschland dann Weltmeister?
Michl: Beispiel Italien: Mitte der 80er waren die etwa auf unserem Niveau heute, dann hat es eine interessante Entwicklung genommen, inzwischen sind die in der Weltrangliste unter den ersten zehn. Man sieht, wenn für die Jugend etwas getan wird und man sich auf die Trainerausbildung konzentriert, dann kann es was werden.
Sie sind kürzlich zum ersten Vorsitzenden des Bayerischen Rugby-Verbandes gewählt worden, was hat man da so vor?
Michl: Wachstum! In zwei, drei Jahren möchte ich, dass es in Bayern 33 Vereine gibt, die zwischen 95 und 100 Mannschaften im Spielbetrieb stellen. Außerdem will ich irgendwie herausfinden, wie wir diesen Teufelskreis um mangelnde mediale Beachtung, niedriges Sponsoring und fehlende Zuschauernachfrage durchbrechen können. Deswegen mach’ ich jetzt bei Ihnen Werbung für diesen schönen Sport.
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