Sind die alten Umladehallen im Süden doch zu retten?
20.2.2018, 18:45 UhrWas in Nürnberg abgerissen werden soll, wird in München erhalten: robuste Gebäude aus Stahl und Ziegeln, großzügige Zufahrten und Höfe, alles Teil des "früheren rauen Werkscharakters. Hier ist Geschichte spürbar." So beschreibt der Immobilienentwickler Aurelis eine seiner Flächen, "einen Ort, der wachgeküsst werden will".
Dieser Ort liegt in München-Neuaubing. Auf 400 000 Quadratmetern wurden dort fast 100 Jahre lang Waggons, Lokomotiven und Gleiselemente der Deutschen Bahn gewartet und repariert. Im Bahnausbesserungswerk. Das wandelt Aurelis derzeit in das Gewerbequartier "Triebwerk" um, mit "historischer Industrie-Architektur, coolen Neubauten, viel urwüchsigem Grün, Eidechsen als Nachbarn". Für Brigitte Sesselmann der Beweis, "wie Neues und Altes gut nebeneinander funktionieren".
Ganz bewusst hat die Architektin des Nürnberger Vereins BauLust dem Münchner Aurelis-Projekt eine Schautafel gewidmet. Obwohl es in der neuen Ausstellung im Museum Industriekultur "Vergessen im Süden" eigentlich nicht ganz so weit südlich gehen soll — sondern nur bis zu den ehemaligen Umladehallen des Nürnberger Südbahnhofs.
Zweckmäßig und transparent
Die sind noch bis zum 22. April in der Galerie des Museums allgegenwärtig, von schwarz-weiß bis bunt. Viele historische Aufzeichnungen und Fotografien zeigen die Entstehung von "Europas einst größtem Güterumschlagsplatz", wie ihn Gabriele Moritz, stellvertretende Direktorin der Nürnberger Museen, nennt. Das Museum Industriekultur ist diesmal nur Gastgeber: Auf die Beine gestellt haben die Ausstellung die Vereine BauLust, Stadtbild-Initiative und Geschichte für Alle. Letzterer hat sich mit der kulturhistorischen Entwicklung der gewaltigen Umladehallen an der Münchener Straße befasst, die 1929 geplant und 1934 fertig gebaut wurden — und trotz ihrer Größe "nichts mit NS-Bauten zu tun hatten", weiß Wolf Hergert. Vielmehr seien die mit einer Holz-Stahl-Konstruktion (heute Beton und Stahl) überbauten Bahnanlagen "modern, transparent und zweckmäßig" gewesen, erklärt der Vorstand von Geschichte für Alle. Noch 1985 wurde die Umladestelle, die inzwischen elf Gleise überdachte, im Rahmen von "150 Jahre Bahn" als leistungsfähiger Betrieb präsentiert. Ehe 1998 Schluss war.
Doch hat sich hier inzwischen neues Leben breitgemacht. Vom Musikvideo-Dreh über Graffiti-Kunst bis hin zur Natur, die die Umladehallen zurückerobert hat — all das ist in der Ausstellung zu sehen. Denn das droht Nürnberg zu verlieren, soll an der Brunecker Straße (wie berichtet) ein neuer Stadtteil entstehen. Durch Aurelis.
Auch deren Pläne hängen aus — sind aber mit dem, was Aurelis in München-Neuaubing unternimmt, nicht zu vergleichen. "Rasterplanung", sagt Wolf Hergert nüchtern, "weil das den höchsten Nutzen verspricht." Für die Umladehallen ist auf dem Plan von Aurelis, die den Machern übrigens von der Ausstellung abgeraten hat, deshalb kein Platz.
Doch es geht auch anders — und diese Diskussion soll die Ausstellung antreiben. Architekt Jan Mauer hat in seiner Masterarbeit zum Thema "Urbane Ressourcen" die eindrucksvollen alten Hallen erhalten, "die eine Attraktion für den neuen Stadtteil sein könnten". Ein Hingucker ist der schräg zum Raster liegende Bau allemal, wie ein Modell in der Schau beweist. Die Ausstellung soll auch belegen, dass nicht immer Denkmalschutz nötig ist, damit etwas "historisch Wichtiges auch bleibt", findet Brigitte Sesselmann. Ein Erhalt der Umladehallen wäre "eine Würdigung Nürnbergs als Industriestadt", schließt sich auch Hergert an.
Er zitiert dann noch die Strategie der Stadt für die Bewerbung als Kulturhauptstadt, bei der Zwischennutzungen ("ist hier durch Szene und Natur schon aktiv") und Debatten zur Kulturlandschaft eine wichtige Rolle spielen sollen. Eine solche Debatte wollen die Vereine hinter der Ausstellung anstoßen. "Die Hoffnung", sagt Wolf Hergert, "stirbt zuletzt."
ZVergessen im Süden. Die Umladehallen am Nürnberger Südbahnhof" ist bis zum 22. April im Museum Industriekultur, Äußere Sulzbacher Straße 62, zu sehen. Führungen finden an den Sonntagen 25. März und 22. April jeweils um 14 und 16 Uhr statt.
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