Steht die Delfinhaltung in Nürnberg vor dem Aus?
15.5.2013, 14:00 UhrSchon seit Jahren haben sich Delfinarium-Befürworter und -Gegner in Position gebracht. Im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz dürfte es in der zweistündigen öffentlichen Anhörung am Mittwoch zu einer hitzigen Diskussion kommen. In der Anhörung sollen beide Seiten zu einem Fragenkatalog, bestehend aus 20 Fragen, Stellung beziehen.
Unter anderem wollen die Grünen Aufklärung darüber erhalten, welchen Beitrag Delfinarien zum Artenschutz leisten, welche Rolle Wildfänge in der Zucht spielen oder ob eine artgerechte, stressfreie Haltung der Meeressäuger in Zoos möglich ist.
Fünf geladene Sachverständige sprechen sich für eine Delfinhaltung in Zoos aus, drei Sachverständige fordern ein Ende der Tümmlerhaltung in den beiden deutschen Delfinarien in Duisburg und Nürnberg. "Wir sind für die Schließung aller Delfinarien", bekräftigte das Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) vergangenen Sommer.
Nun sitzt als Sachverständiger für den WDSF der Biologe Philip Loos in der Ausschusssitzung. "Eine artgerechte Haltung von Delfinen ohne Stress in Deutschland ist nicht möglich", schreibt Loos in einer Stellungnahme. Bewegungsmangel, akustische Verkümmerung durch die schallreflektierenden Betonmauern sowie mangelnde Ausweichmöglichkeiten machten Delfinhaltung in Nürnberg und Duisburg unmöglich.
"Stress auslösende Faktoren sind vornehmlich soziale Konflikte, die zum völlig normalen Erlebnisrepertoire aller sozialen Tiere gehören", wendet Encke in seiner Stellungnahme ein, die jeder Sachverständige vor der Ausschusssitzung abgeben musste. "Solange diese vorübergehend sind, stellt das kein Problem dar." Eine dreijährige Studie zur Stressbestimmung bei den Nürnberger Delfinen aus dem Jahr 1996 ergab laut Encke zudem, dass "sowohl die Haltungsbedingungen als auch die Vorstellungen für die Delfine keine Belastung darstellen".
Der Verband Deutscher Zoodirektoren (VDZ) gibt den beiden Zoos in Nürnberg und Duisburg Rückendeckung und empfiehlt, den Antrag der Grünen abzulehnen. Der VDZ kritisiert, dass sich der Antrag auf ein Gutachten eines Wissenschaftlers stütze, "der in seiner gesamten wissenschaftlichen Laufbahn noch nie mit Delfinen gearbeitet hat und somit über keinerlei wissenschaftliche Qualifikation und fachliche Kompetenz verfügt, um den Sachverhalt der Delfinhaltung fachgerecht zu beurteilen".
Ein Blick in die Vitae von Christian Schulze, der 2010 das Gutachten erstellte, stützt die Kritik des Verbandes. Schulze ist seit 2003 Privatdozent an der Ruhr-Universität Bochum im Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin und praktizierender Biologie-Lehrer. Auf der Internetseite des Instituts gibt er als Forschungsfelder "Graeco-arabischer Wissenstransfer / römische Medizin / Botanik- und Pharmaziegeschichte / Leibniz und die Medizin und Hildegard von Bingen" an.
Sollte der Bundestag auf Empfehlung des Ausschusses das Ende der Delfinhaltung beschließen, müssten bis zu einer bestimmten Frist beide Delfinarien aufgelöst werden.
"Der EEP-Koordinator und das Species Committee hätten die Aufgabe, für alle Tiere neue Unterbringungen zu empfehlen, die dem Alter, Geschlecht und sozialen Status der Tiere gerecht wird", kritisiert Encke. "Dies wird eine Aufgabe sein, deren tiergerechte Lösung Jahre in Anspruch nehmen kann. Wahrscheinlich könnten die Gruppen, die zurzeit stabile soziale Einheiten bilden, nicht gemeinsam vermittelt werden, sondern müssten auseinandergerissen werden." Zudem stellt der Tiergartendirektor die Sinnhaftigkeit in Frage, "uralte Tiere wie den 53-jährigen Moby noch zu transferieren".
"Eine erfolgreiche Auswilderung steht für diese Tiere nicht in Aussicht", gesteht auch Enckes Kontrahent Loos ein. Es gebe jedoch artgerechtere Delfinhaltung, wie sie beispielsweise in Florida oder Israel betrieben würde. Dort lebten die Tümmler in abgetrennten Meeresbuchten. "Die Tiere können dort die Gezeiten, Wellen und Strömungen spüren, leben in natürlichem Meerwasser mit zahlreichen Sinnesbereicherungen und haben auch die Möglichkeit, lebenden Fisch zu jagen."
Sachverständiger: Tötung der Nürnberger Delfine unausweichlich
Eine drastische Konsequenz skizziert Thomas Kauffels vom Opel-Zoo in seiner Stellungnahme: Fünf der sieben Nürnberger Delfine müssten demnach eingeschläfert werden. Delfinbulle Moby ist "zu alt, um eine neue Gruppe zu übernehmen und zu dominant, um in eine bestehende Zuchtgruppe oder Bullengruppe integriert zu werden." Er müsste nach Kauffels Ansicht eingeschläfert werden. Ebenso Delfinweibchen Anke, die aufgrund der Geburt von drei nicht lebensfähigen Kälbern vermutlich keinen Abnehmer finden würde. "Die zwei anderen zuchtfähigen Weibchen würden wahrscheinlich Plätze in anderen Delfinarien finden."
Auch für die Bullen Noah und Arni sieht Kauffels kaum Möglichkeit, sie in anderen Delfinarien unterzubringen: "Aufgrund der momentan in Europa florierenden Zucht von Großen Tümmlern, wird es sehr schwierig werden, für die zuchtfähigen Bullen einen freien Platz zu finden. Schlimmstenfalls müssten auch diese Tiere euthanasiert werden."
Selbst, wenn für die Tiere Bestandsschutz ausgesprochen wird, "würde die nach und nach eintretende soziale Verarmung des Bestandes dann aus tierschutzrechtlicher Sicht eine Euthanasie zumindest des letzten oder aber auch der letzten verbliebenen Tiere erfordern".
Ralph Hoffmann, Kreisvorsitzender der Nürnberger Grünen, sieht durch den Antrag den Kurs der lokalen Tierschützer bestätigt: „Die Delfinlagune in Nürnberg ist nicht mehr und nicht weniger als Unterhaltung für die Zoogäste – mit artgerechter Haltung hat die Anlage rein gar nichts zu tun." Die Grünen hatten sich früher für die Delfinhaltung ausgesprochen, ihre Haltung aber 2007 revidiert.
Die öffentliche Anhörung von 15 bis 17 Uhr kann online im Livestream verfolgt werden.
Folgende Sachverständige sind geladen:
Befürworter der Delfinhaltung:
- Dr. Thomas Kauffels - Georg von Opel - Freigehege für Tierforschung - Gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts von Opel Hessische Zoostiftung
- Tiergarten der Stadt Nürnberg, Dr. Dag Encke
- Dr. phil. nat. Thomas Althaus: Verhaltensforscher
- Prof. Dr. Guido Dehnhardt - Institut für Biowissenschaften Universität Rostock
- Dr. med.vet. Cornelis Erik van Elk - Dolfinarium Harderwijk
Gegner der Delfinhaltung:
- Dr. Sandra Altherr von pro Wildlife e.V.
- Dr. Karsten Brensing von WDC - Whale and Dolphin Conservation
- Philip Loos - B.Sc. Biologie vom Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF)
Der Artikel wurde am 15. Mai 2013 um 14 Uhr noch einmal aktualisiert, die Redaktion.
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