Um vier Uhr nachts: Junge Kosovarin mit Sohn abgeschoben

9.5.2015, 15:20 Uhr

Die Frau war in der Nürnberger Flüchtlingsunterkunft in der Kunigundenstraße untergebracht. Sie war vor zwei Jahren nach Deutschland geflo­hen, hatte jedoch in einem ersten An­lauf vergeblich um Asyl gebeten.

Im Kosovo sei sie zwangsweise verheiratet worden, als der Vater von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Er habe die Schande und den Ehr­verlust vermeiden wollen und seine Tochter einem 15 Jahre älteren Mann anvertraut, der nicht der Vater des Kindes ist, so Schwemmer. Vor ihrem gewalttätigen Ehemann floh die 23-Jährige nach Deutschland. In Fürth kam auch ihr Sohn zur Welt, der jetzt eineinhalb Jahre alt ist.

Nun wurde sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gemeinsam mit ihrem Sohn abgeschoben - ohne Vorankündigung. Ein Vorgang, der jetzt für Kritik sorgt.

"Menschlichkeit dürfte hier noch viel öfter angewendet werden"

"Es ist leider nicht das erste Mal, dass sich der Frei­staat und das Ausländeramt nicht mit Ruhm bekleckern", sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Nürnberger Grünen, Elke Leo gegenüber den Nürnberger Nachrichten. Dass die Abschiebung vermutlich rechtens war, müsse nicht immer der Maßstab sein. "Menschlichkeit und eine Einzelfallentscheidung dürfen hier noch viel öfter angewendet wer­den."

Auch die Betreuerin der Frau, Elisabeth Schwemmer, ist fassungslos. "Mit so einer Grausamkeit habe ich nicht gerechnet", sagt sie. Seit einem Jahr betreue sie die junge Frau aus dem Kosovo. Damit habe sie aber nicht gerechnet.

Aufklärung auch im Nürnberger Stadtrat gefordert

Klar ist: Die Frau hat auf Anraten von Schwemmer bereits einen Folgeantrag gestellt. Über dessen Aus­gang sei überhaupt noch nicht ent­schieden worden, empört sich die Pä­dagogin. Lediglich eine Prognose ha­be das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgegeben - und zwar auf Nachfrage des Nürnberger Aus­länderamtes. Dessen Chef, Olaf Kuch, betont dagegen, dass der Fol­geantrag abgelehnt worden sei. Was stimmt, bleibt unklar, denn das Bundesamt gibt keine Auskünfte zu konkreten Fällen.

Auch aus der ÖDP kommt Kritik. Für das Verwaltungshandeln in Stadt und Land sollte das Prinzip Menschlich­keit oberste Maxime sein, betont Stadtrat Thomas Schrollinger. "Der vorgegebene Rechtsrahmen zwingt in unserem Land niemand zur Unbarm­herzigkeit." Er fordert, dass der Vor­fall auch im Nürnberger Stadtrat restlos aufgeklärt wird.

Norma­lerweise bekämen die Menschen in vergleichbaren Fällen zumindest die Gelegenheit, sich vorzubereiten und freiwillig auszureisen, sagt die Betreuerin der Kosovarin, Elisabeth Schwemmer. Aus dem Innenministerium kommt lediglich die Meldung: Am Dienstag fand eine Sammelabschiebung statt. Alle Betroffenen seien ausreise­pflichtig gewesen, weil ihre Asylan­träge abgelehnt worden waren.

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