Weißbier? Kölsch? Oder doch lieber ein Dubbel?
14.1.2015, 20:21 UhrDie Biere, die Peter Stix braut, haben alle eine Nummer. Die „N° 11“ beispielsweise ist ein „Pale Ale“: ein helles Bier, wie man es gerne in Großbritannien trinkt, eher trocken und mit deutlichem Hopfenaroma. Sieben Mal hat er es schon gebraut. Die „N° 6“ ist ein belgisches Dubbel, ein fein gewürztes Dunkles. Die „N° 7“: Witbier, ein belgisches Weizenbier. Und derzeit? Da fließt aus seinem Zapfhahn im Keller eines Nürnberger Hinterhauses belgisches Saisonbier, das mit Koriander und Orangenschalen gewürzt ist. Ein Bier, das bei einer Hobbybrauermesse ausgezeichnet wurde. Peter Stix hat es kurzerhand nachgebraut — wie auch schon so manch anderes Bier, etwa das Edelbier „Pyraser Herzblut“, von dem eine Flasche rund 15 Euro kostet. „Bier, das mir gut schmeckt, mache ich gern selber“, sagt Stix in seiner ruhigen, ausgeglichenen Art.
Der 56-Jährige braut aber nicht nur nach; manchmal kreiert er auch eigene Biersorten. Als er einmal beim Griechen essen war, fragte seine Frau, ob er nicht ein Bier brauen könne, das ähnlich wie Retsina schmecke. „Erst dachte ich: Das geht nicht. Dann aber begann es in mir zu arbeiten.“ Und: Mit dem richtigen Hopfen, der richtigen Dosierung und Verarbeitung, sollte es tatsächlich gelingen . . .
Solchen Erfolgserlebnissen gehen natürlich ganz andere Erfahrungen voraus, zumal in der Anfangszeit: Stix begann in den 90er Jahren mit seinen ersten Brauversuchen. Damals genügte es ihm und seinen Freunden nicht mehr, sich durch das fränkische Bierparadies, von Brauerei zu Brauerei, zu trinken. Sie wollten mehr darüber erfahren, wie der Gerstensaft entsteht. Stix belegte einen Kurs „Bierbrauen“ an der Volkshochschule. Mit diesem Basiswissen und einem groben Rezept („Die Brauanleitungen, die es damals gab, waren vogelwild“) machte er sich ans Werk: Sein erster Brauversuch fand mit einem 25-Liter-Topf statt, „mit ganz einfachen Gerätschaften, und es war völlig umständlich“. Und: „Das Bier war verkocht, zu trüb, zu stark. Ich war überfordert.“
Zwar gelang es ihm auch beim zweiten Versuch, den Mindestanspruch des Braunovizen zu erfüllen („Das Bier soll nicht nach Gemüse schmecken“, meint Stix augenzwinkernd). Aber gutes Bier kam wieder nicht heraus. Statt aufzugeben, fuhr Stix zu einem Braumeister in der Region, holte sich Rat — und bekam obendrein Malz und Hefe. „Gute Rohstoffe“, die damals, in Zeiten ohne Internethandel, schwer erhältlich waren. Auf einer Braumesse bekam Stix noch Hopfen. Und die zwölf Liter Bier, die er mit diesen Zutaten innerhalb von 14 Stunden braute, schmeckten haargenau wie jenes, das der Braumeister machte. Das war schon was.
Dann aber legt Stix eine Braupause ein . Das „Leben“ kam dem gelernten Bürokaufmann und Schreiner dazwischen, die Familie war wichtiger, sein Beruf als Taxifahrer zeitaufwendig. Erst 2009 begann er wieder zu brauen, mit einem Freund. „Wir wollten untergärig brauen. Aber die Hefe ist nicht angekommen, ihr war zu kalt.“ Statt fränkischem Lagerbier mit vollmundigem Geschmack erhielten sie fruchtiges Bier: Kölsch. Sein Kumpel schüttete seine zehn Liter weg. Stix arbeitete nach und trank „tapfer“ sein Bier.
Fortan las er Fachbücher, suchte sich Hilfe im Netz, auf einer Plattform für Hobbybrauer (www.hobbybrauer.de), auf der mittlerweile auch Brauprofis „unterwegs“ sind. Seither ist er am Ball geblieben, hat in seinem Keller mit seinem 19-jährigen Sohn ge- braut, mit Freunden und Kollegen, vor allem fränkisches Lagerbier, aber auch englisches und belgisches Ale. Und mittlerweile ist er so weit, dass er mit einer eigenen Bierkreation an einem Wettbewerb für Hobbybrauer teilnehmen will . . .
Die nächste Brau-Herausforderung für Stix ist Sauerbier, bei dem ist die Nachgärung knifflig. „Man muss aufpassen, dass man keine Flaschenbomben baut.“ Ist die Rezeptberechnung nicht akribisch, arbeitet die Hefe nämlich länger, als sie soll, und in der Flasche wird der Druck zu hoch . . .
Was aus Sicht von Stix die Schwierigkeit beim Brauen ist? „Das A und O sind die Temperaturen.“ Sie sind entscheidend für die Gärung. Das zu verstehen, ist gar nicht so schwer: Braut Stix helles Bier, geht er folgendermaßen vor (stark vereinfacht beschrieben): Er mahlt Malz, rührt es mit dem Braupaddel in einen Läuterbottich, legt den Deckel auf und lässt das Ganze eine Stunde lang bei 67 Grad Celsius stehen. Danach wird abgemaischt. Die Flüssigkeit, die nun abfließt, heißt Vorderwürze. Mit Nachgüssen kann noch Zucker aus dem Malz gewaschen werden, bis die gewünschte Stammwürze erreicht ist. Die Stammwürze bezeichnet einen Anteil an bestimmten Stoffen (wie Malzzucker, Eiweiß, Vitaminen) und ist entscheidend für den Alkoholgehalt des Biers.
Wie aus Most Wein wird, so wird aus der Würze Bier — durch die alkoholische Gärung mittels Hefe. Dafür kommt die Würze nun in den Sudkessel, wo sie 90 Minuten kochen soll. Nach einer Viertelstunde gibt Stix Bitterhopfen zu, nach 60 und 80 Minuten Aromahopfen. Die Zusammensetzung des Hopfens beeinflusst den Geschmack des Biers wesentlich.
Während der 90-minütigen Kochphase läuft in Stix’ Braukeller Mo- zart, manchmal auch Beethoven. „Der passt zum Kochen: Der Sud blubbert und zeigt Kraft, da wallt es richtig. Wie bei Beethoven.“ Nach dem Abkühlen lässt Stix die Würze ins Gärfass laufen und gibt obergärige oder untergärige Hefe hinzu — die eine vergärt wärmer, die andere kühler. Will man obergäriges Bier (etwa Weißbier), bleibt das Gärfass für eine Woche bei einer Umgebungstemperatur von 17 bis 20 Grad Celsius stehen. Möchte man untergäriges Bier (etwa Pils), das „sauberer vergärt“, also ohne weitere Geschmackseinflüsse zu produzieren, lässt man das Gärfass drei Wochen bei einer Umgebungstemperatur von 8 bis 10 Grad Celsius stehen — Stix hat dafür eine Kühltruhe. Danach kann das Bier in Flaschen abgefüllt oder direkt aus dem Fass gezapft werden.
Und wie steht es mit dem Reinheitsgebot? „Da werden unter den Hobbybrauern Glaubenskriege geführt.“ Auch an Stix’ Nürnberger Stammtisch, der rund 30 Hobbybrauer um- fasst.
Stix selbst sieht es recht gelassen mit dem Reinheitsgebot, das nächstes Jahr 500 Jahre „alt“ wird. Egal, ob das Bier allein aus Hopfen und Malz, Hefe und Wasser hergestellt wird oder noch die eine wie auch andere Zutat enthält — Stix hält es mit Luther, der gesagt haben soll: „Wer kein Bier hat, hat nichts zu trinken.“
Der gute Jean Pütz
Dass Hobbybrauer ihre Leidenschaft überhaupt leben können, verdanken sie Jean Pütz, der 1982 in seiner TV-Sendung „Hobbythek“ zeigen wollte, wie man Bier braut — dafür aber bedurfte es erst einer Genehmigung. Eine Folge der Auseinandersetzung der WDR-Redaktion mit dem Staat war, dass die strenge Regelung in puncto Bierbrauen aufgeweicht wurde. Und daher darf heute jeder Privatmann bis 200 Liter Bier im Jahr steuerfrei für den eigenen Konsum brauen. „Jean Pütz ist für viele Hobbybrauer ein Säulenheiliger“, sagt Stix.
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